Verschärfte Asylpolitik

Koalitionsabkommen ASTI befürchtet eine restriktivere Gangart
tageblatt   22 November , Stefan Kunzmann
Das Kapitel Migration im Koalitionsabkommen fügt sich in den Kontext der europäischen Asylpolitik ein. Und die besagt mehr Restriktionen statt Aufnahmebereitschaft und Willkommenskultur.

Die Ausländerhilfsorganisation ASTI sieht zwar auch positive, aber vor allem negative Elemente im Koalitionsabkommen in den Kapiteln „Migration“ und „Vivre ensemble“. „In den drei Themengruppen Immigration, Asyl und das Zusammenleben, die für uns interessant sind, finden sich einige besorgniserregende Punkte wieder“, sagt Sérgio Ferreira, Sprecher der ASTI. „Generell kann man bei den ersten beiden von einer Verschärfung sprechen.“
Dies passe ganz zur derzeitigen europäischen Asylpolitik, hin zu einer „Festung Europa“, stellt er fest. „Obwohl man ganz genau weiß und uns die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben, dass diese nicht funktioniert und die Menschen damit nicht daran gehindert werden können, nach Europa zu kommen“, weiß Ferreira. Besser wäre es, nach kreativeren Alternativen zu suchen, als fortwährend jene Politik weiterzubetreiben, mit der man gescheitert sei – und die dazu geführt habe, dass „Tausende Menschen an den Grenzen Europas gestorben sind“.
Auffallend am Kapitel Migration ist, dass es nur das Thema Asyl behandelt und damit zwei Themen – Migration und Asyl – miteinander vermischt. Das Kapitel der Einwanderung werde nur kurz im Kapitel über Arbeit behandelt, wenn es zum Beispiel heißt: „Les lois régissant l’immigration seront adaptées, notamment afin de faciliter et d’accélérer les procédures d’obtention de visa pour travailleurs provenant de pays tiers.“ Das sieht Ferreira positiv, obwohl darin auch nichts Konkretes enthalten sei.
Sehr bedenklich hingegen sind aus der Sicht der Ausländerhilfsorganisation die Punkte, die Asylfragen betreffen, bei denen es sich vor allem um Verschärfungen handelt. Dies gelte vor allem für die DNA-Tests, die von der „Direction de l’immigration“ verlangt werden sollen, aber auch für den Punkt, dass die Behörde auf alle geeigneten Methoden zurückgreifen kann, die erlaubt sind, um das Alter eines Asylbewerbers zu bestimmen. Ferreira weist darauf hin, dass in dieser Hinsicht Luxemburg in der Vergangenheit schon einige beschämende Verfahren angewandt hat, wie zum Beispiel Tests an den Genitalien junger Migranten. „Wir hoffen, dass dieser große Schritt zurück nicht getan wird“, so Ferreira.
Als ein schlechtes Zeichen seien auch die Pläne der neuen Regierung bezüglich der Autonomie der Schutzsuchenden zu betrachten. „Wir wissen, dass viele Unterkünfte am Limit sind“, so Ferreira. „Aber ein Hauptgrund, weshalb die Personen, die den internationalen Schutz erhalten haben, die Foyers nicht verlassen, ist sicherlich die allgemeine Wohnsituation – sowie ein Mangel an Autonomie und an Integrationsarbeit. „Wenn man denen nun auch noch einen Teil ihres Revis wegnimmt, um die Miete zu bezahlen, entspricht dies einmal mehr einer paternalistischen Vorgehensweise und bedeutet einen weiteren Verlust von Autonomie.“ Immerhin gebe es im Bereich Asylpolitik auch Positives im Regierungsprogramm – dass man zum Beispiel die Prozeduren beschleunigen und den Zugang zum Arbeitsmarkt verbessern wolle.

Dominierender 
Sicherheitsaspekt

Auch sei der Bereich des „Vivre ensemble interculturel“ wenig ambitiös, so der ASTI-Sprecher. Hier gehe es vor allem darum, das entsprechende Gesetz vom 23. August 2023 zum 1. Januar 2024 in Kraft treten zu lassen. Das Koalitionsprogramm sei eine Roadmap für die neue Regierung. „Wir werden aufmerksam verfolgen, was sie daraus macht“, so Ferreira.
Dass das „Office national de l’accueil“ (ONA) wieder ins Familienministerium zurückkehre, sieht er positiv. Dass aber die Einwanderungsbehörde unter die Obhut des Innenministeriums kommt, sei eher negativ zu werten und bedeute, dass die Regierung Immigration unter dem Aspekt der Sicherheit betrachtet: eine „approche sécuritaire“ statt „humanitaire“, so Ferreira. Nicht zuletzt bedauert er, dass von den Vereinigungen, die schwerpunktmäßig im Bereich der Migration tätig sind, im Laufe der Koalitionsverhandlungen keine zurate gezogen wurde. Als einzige Organisation aus dem Luxemburger Flüchtlingsrat sei die Caritas eingeladen worden – allerdings in Fragen der Armutsbekämpfung.