Geflüchtete finden nicht leicht einen Job

Für Asylbewerber wird der Zugang zum Arbeitsmarkt gelockert. Wird Luxemburg dadurch im Vergleich zu seinen Nachbarländern liberaler?

Geflüchtete finden nicht leicht einen Job

POLITIK / FLORIAN JAVEL / LUXEMBURGER WORT / 3. Januar 2024

300.000 neue Arbeitskräfte wird Luxemburg bis 2030 benötigen, prognostizierte die UEL (Union des entreprises luxembourgeoises) in ihrem Beschäftigungsbarometer Anfang vorigen Jahres. Währenddessen stieg die Zahl der Arbeitslosen im November 2023 auf 17.349 Personen. 19,3 Prozent mehr als im November 2022. Bereiche wie Baugewerbe, Medien und Kommunikation, Finanz- und Immobiliensektor, Industrie, Informatik, Buchhaltung und Geschäftsstrategie suchen aktuell händeringend nach Arbeitskräften. Kurz gesagt: Luxemburg leidet unter einem Arbeitskräftemangel.

Kaum verwunderlich ist es demnach, dass die Regierung an so vielen Schrauben wie möglich dreht, um den Arbeitskräftemangel in den Griff zu kriegen. So auch im Bereich von Asyl und Immigration. Durch die Anpassung des Immigrationsgesetzes Ende voriger Legislaturperiode hatte Blau-Rot-Grün den Weg dafür geebnet, Familienangehörigen von Drittstaatenangehörigen, die im Zuge der Familienzusammenführung einen Aufenthaltstitel besitzen, einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Laut damaligen Angaben des ehemaligen Immigrationsminister Jean Asselborn (LSAP) konnten rund 3.900 Familienangehörige von der Maßnahme profitieren und ab dem 1. September 2023 einer Beschäftigung nachgehen.

Ebenso für Antragsteller eines internationalen Schutzstatus wurde der Zugang zum Arbeitsmarkt gelockert. Der vielfach kritisierte „Arbeitsmarkttest“ entfiel nämlich

voriges Jahr. Arbeitgeber, die Asylbewerbern eine Stelle anbieten wollen, müssen demnach nicht mehr beweisen, dass kein anderer EU-Arbeitssuchender für die Beschäftigung in ihrem Unternehmen infrage kommt. Asylbewerber müssen demnach mit einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis (Autorisation d‘Occupation Temporaire, AOT) nicht rein Mangelberufe anstreben, sondern können seit dem 1. September 2023 jeden Beruf ausüben, den sie anstreben wollen. Die Einschränkung war bisher jedoch ein großes Hindernis für Unternehmen, die Asylbewerber in der Vergangenheit unter bestimmten Bedingungen engagieren wollten.

Arbeitserlaubnis für Asylbewerber: zu komplex, zeitaufwendig und bürokratisch

Seitdem nun die neue schwarz-blaue Regierung die Geschicke des Landes übernommen hat, sollen weitere Erleichterungen für Asylbewerber, die arbeiten wollen, eingeführt werden. Bisher konnten Asylbewerber nur unter mühsamen bürokratischen Bedingungen einer Beschäftigung nachgehen. Die ersten sechs Monate nach dem Antrag auf einen internationalen Schutzstatus konnten DPI (demandeur de protection internationale) nicht arbeiten. Erst, wenn nach dieser sechsmonatigen Frist keine Rückmeldung bezüglich des Asylbescheids durch die Immigrationsbehörde erfolgte, durften Personen mit internationalem Schutzstatus (BPI) eine vorläufige Beschäftigungserlaubnis (AOT) beantragen.

Das Problem: Die Prozedur zur Erlangung einer AOT ist langwierig, komplex und bürokratisch – und bietet nicht die notwendige Flexibilität oder Sicherheit, die in gewissen Branchen wie dem Horesca-Sektor benötigt werden. Die AOT gilt nämlich nur für eine begrenzte Periode von sechs Monaten. Zwar ist sie verlängerbar, allerdings nicht in jedem Fall. Zudem sind DPI, die eine AOT genehmigt bekommen, an einen Arbeitnehmer gebunden, was potenziell aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses leichter zur Ausbeutung der Arbeitskräfte führen kann.

Dass die AOT ihre Wirksamkeit nie richtig entfalten konnte, belegt die Anzahl an AOT, die in den letzten Jahren genehmigt wurden. 2018 gab es 16 Anfragen, ein Jahr danach 19. 2021 wurden 33 Anträge gestellt, 2022 rund 44 und im Jahr 2023 80 Anfragen. Vor allem steigende Zahlen an Asylanträgen rechtfertigen die steigende Tendenz. Bei

durchschnittlich 2.000 Asylanträgen in den letzten fünf Jahren, mit Ausnahme der Pandemiejahre, blieb der Erfolg aus. Die gängigsten Bereiche, in denen BPI im Rahmen einer AOT bisher untergekommen sind, sind laut einem ADEM-Sprecher auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“ „der Gastronomiebereich und die Baubranche, sowie Haushaltshilfen“.

Was die Regierung unter Mangelberufen versteht

Um Asylbewerbern einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, hat nun die neue schwarz-blaue Koalition eine Lockerung der bisherigen Bedingungen in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. Im Kapitel Migration steht, DPI sollen künftig bereits vier Monate nach ihrem Asylantrag einer Beschäftigung nachgehen – allerdings gilt dies nur für Mangelberufe.

Eine Lockerung, die zwar den Forderungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Dachverband CLAE oder der ASTI entgegenkommt, diese jedoch nicht vollständig befriedigen wird. Seit Jahren fordern sie einen vollständigen, offenen Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete – und das ohne Fristen oder Einschränkung auf Mangelberufe. Wie viele von den rund 2.165 Menschen, die 2023 einen Antrag auf einen internationalen Schutzstatus gestellt haben, von der Maßnahme betroffen wären, lässt sich heute noch nicht sagen.

Welche Mangelberufe das Ministerium überhaupt im Auge hat, sei aktuell noch nicht definiert, gibt ein Sprecher des Arbeitsministeriums von Minister Georges Mischo (CSV) auf eine erste Nachfrage zu verstehen: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde die Maßnahme zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit von Personen, die internationalem Schutzstatus beantragt haben, noch nicht auf rechtlicher, regulatorischer und administrativer Ebene entwickelt und konkretisiert.“

Auf eine weitere Nachfrage an das Ministerium lautet die Antwort anders. Der zukünftige Gesetzestext würde sich an der Liste der Mangelberufe orientieren, die im Journal Officiel der ADEM jedes Quartal veröffentlicht werde. Die aktuelle Fassung dieses Dokumentes geht auf September 2023 zurück. Darin befinden sich rund 30 Kategorien an

Mangelberufen. Die meisten darunter in der Pflege, Kommunikation, Baugewerbe, Bildung, Finanzsektor oder der Informatik.

Ab wann Geflüchtete in Luxemburgs Nachbarländern arbeiten können

Mit der Lockerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für DPI ermöglicht Luxemburg Asylbewerbern, rascher Fuß zu fassen als in nur einem seiner Nachbarländer: Frankreich. Dort dürfen Asylbewerber innerhalb der ersten sechs Monate nach ihrem Antrag nicht arbeiten. Wie heute noch in Luxemburg. Wer keine Rückmeldung in Bezug auf seinen Asylbescheid erlangt, darf sich bewerben. Der Arbeitgeber muss allerdings eine Arbeitsgenehmigung anfragen.

In Deutschland beträgt die Frist, inner- halb derer Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, drei Monate für Geflüchtete, die nicht verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Sechs Monate für Asylbewerber mit minderjährigen Kindern und neun Monate für Geflüchtete ohne minderjährige Kinder, die jedoch in einer Aufnahmestruktur verbleiben. Im November vorigen Jahres wurde zudem ein neues Migrationspaket geschnürt. Nun dürfen Geflüchtete, unabhängig von ihrer Wohn- oder Familiensituation, nach sechs Monaten arbeiten, „gut integrierte“ Geflüchtete bereits nach drei.

Belgien ist unter den vier Ländern wohl das liberalste, wenn es darum geht, den Arbeitsmarkt für Geflüchtete zu öffnen. Diese dürfen drei Monate nach ihrem Antrag bereits arbeiten – und das ohne jegliche Begrenzungen.