Marianne Donven: “Ech hu ganz vill schlëmm Saachen erlieft déi lescht Méint”

Aus Protest géint d’Flüchtlingspolitik vun der Regierung huet d’Marianne Donven, déi sech zënter ville Jore mat Initiative wéi der ASBL “En oppent Haus” oder de Chiche-Restauranten fir Flüchtlingen asetzt, beim Staat gekënnegt. Am 100,7-Interview erkläert si hir Roserei.

https://www.100komma7.lu/news/Invitee-vum-Dag-Marianne-Donven?pd=radio

———————————————————————————————–

Protest gegen Asylpolitik
Luxemburger Wort 23 Januar 2025
Die Flüchtlingshelferin, die nicht mehr Staatsdienerin sein will

Marianne Donven hat die Tür zu einem komfortablen Leben als Angestellte des Außenministeriums zugeschlagen. Der Grund sind Zustände, die sie skandalös findet.

Marianne Donven im Gespräch mit ihrem Mitarbeiter Aboubacar, der auf eine Anerkennung in Luxemburg hofft. Foto: Gilles Kayser

Sie kommt ein wenig zu spät zum verabredeten Treffen. Vorher hat Marianne Donven in ihrer Filiale in Ettelbruck nach dem Rechten sehen müssen. Doch als sie das Chiche auf dem Limpertsberg betritt, wirkt die 58-Jährige keineswegs gestresst oder abgehetzt. Mit einem Lächeln begrüßt sie ihre Angestellten, regelt noch schnell ein paar Dinge und widmet sich dann dem Wort-Journalisten und seinem Fotografen.

Keine 24 Stunden zuvor hat die Frau aus Luxemburg-Stadt, die zu den bekanntesten Flüchtlingshelferinnen des Landes zählt, für einen Paukenschlag gesorgt. Mit einem Protest-Post auf Facebook hat sie die Migrationspolitik der Regierung kritisiert und ihr vorgeworfen, „skrupellos mit den Schwächsten“ umzugehen. „Eis Ministeren Léon Gloden a Max Hahn maachen heemlech eng grausam Politik, déi net mat menge Wäerter ze vereinbaren ass“, so Donven in Richtung des Innen- sowie des Integrationsministers.

Seit 2017 leitet Marianne Donven das Restaurant Chiche. Foto: Gilles Kayser

Ihren Protest verband Donven mit der Ankündigung, sich aus dem Obersten Rat für Zivile Sicherheit zurückzuziehen. Und sie veröffentlichte ein Schreiben an das Außenministerium, dem sie elf Jahre lang angehörte und wo sie die humanitäre Hilfe des Ministeriums koordinierte. Ein Top-Posten, verbunden mit einem guten Salär und einer sicheren Existenz. Doch Marianne Donven hat ihren komfortablen Status als Staatsangestellte aufgegeben – weil sie nicht länger für diese Regierung arbeiten will.

Verzicht auf Sicherheit

Damit hat sie eine Tür zu Vater Staat zugeschlagen, die unzählige Menschen im Großherzogtum liebend gern durchschreiten würden. Das ist auch Marianne Donven bewusst: „Es war eine gewisse Sicherheit“, sagt sie. Doch sie bereut den Schritt nicht. „Ich bin jetzt ein freier Mensch“, sagt sie.

Seit vielen Jahren engagiert sich Donven in der Flüchtlingshilfe. Die Diplomatin, die selbst Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnahm, war Mitbegründerin der Initiative „Oppent Haus“, die die Familien im Großherzogtum bei einem solchen Schritt unterstützt. 2016 entschied sie sich dann zu einem radikalen Kurswechsel: Sie nahm „Congé sans solde“ und gründete das Chiche, ein libanesisches Restaurant, das mittlerweile sechs Standorte hat.

Marianne Donven ist eine Mitgründern von „Oppent Haus“, einem Verein, der Luxemburger bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt. Foto: Gilles Kayser

Doch es ist, anders als herkömmliche Restaurants, nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt. Stattdessen arbeiten dort mehr als 70 Flüchtlinge und Migranten, denen Donven dadurch eine Perspektive bieten möchte. Es sind Menschen wie Aboubacar. Der 23-jährige, der seinen Nachnamen nicht veröffentlicht sehen möchte, stammt aus Guinea, einem Land, in dem eine Militärdiktatur herrscht. Er suchte daher sein Heil in Europa, kam vor anderthalb Jahren nach Luxemburg und stellte einen Antrag auf internationalen Schutzstatus, über den noch nicht entschieden wurde. Seitdem lebt er in einer großen Flüchtlingsunterkunft auf dem Kirchberg. Sein Zimmer teilt er sich mit zwei anderen Migranten.

Schlechte Stimmung

Die Stimmung unter den Flüchtlingen ist nicht gut: „Jeder dort hat Angst“, sagt Aboubacar. Er erinnert sich an einen Moment im Dezember, als fünf Bewohner, allesamt in Ausbildung, die Einrichtung hätten verlassen müssen. „Keiner wusste, wohin er gehen sollte, es war kalt. Also musste die Polizei kommen, um sie rauszuschmeißen.“

Marianne Donven beklagt, dass es zuletzt oft vorgekommen sei, dass Menschen, die Einrichtungen verlassen mussten, eine Frist von wenigen Tagen gesetzt bekommen hätten. Mithilfe von Spendengeldern übernimmt „Oppent Haus“ immer mal wieder Hotelrechnungen von Menschen, die kurzfristig irgendwo untergebracht werden mussten. „Zuletzt war es ein venezolanisches Paar, er Anstreicherlehrling, sie Küchenlehrling. Sie mussten mit einer Vorwarnung von fünf Tagen aus dem Flüchtlingsheim heraus. Wie soll man denn da in Luxemburg etwas finden?“ Das habe es früher nicht gegeben, sagt Donven – „schon gar nicht bei Kindern, schon gar nicht im Winter.“

Sie mussten mit einer Vorwarnung von fünf Tagen aus dem Flüchtlingsheim heraus. Wie soll man denn da in Luxemburg etwas finden?

Marianne Donven
Flüchtlingshelferin

Noémie Sadler, die Vorsitzende der beratenden Menschenrechtskommission, bestätigt die Vorwürfe von Marianne Donven, sie sieht eine Verschärfung des Migrationskurses. Menschen, deren Antrag abgewiesen werde, müssten binnen Frist weniger Tage die Einrichtungen verlassen. „Und dann ist es den Leuten in der Einrichtung oft egal, wo diese Leute hingehen, auch wenn sie kleine Kinder haben.“

Aboubacar macht seine Ausbildung als Koch im Chiche, will später studieren. Will sich eine Zukunft in Luxemburg aufbauen. Das will auch eine andere Küchenmitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie stammt aus Tadschikistan, hat drei Kinder und lebt seit sechs Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft. Zwar erhält sie nun, wo sie im Restaurant arbeitet, den Mindestlohn, doch damit könne sie sich keine reguläre Wohnung leisten. „Die Leute werden überhaupt nicht zu Besichtigungen eingeladen“, sagt Donven.

Leben mit vielen Einschränkungen

Von ihrem Gehalt zahle sie mittlerweile knapp 500 Euro an Miete, so die Tadschikin. Eine eigene Küche gibt es nicht, nicht mal ein Wasserkocher sei erlaubt, das werde streng kontrolliert. „Sie öffnen jede Schublade und prüfen das“, sagt sie. „Sie haben auch meinen Toaster konfisziert.“ Die Kinder seien aber unglücklich mit dem Essen, das dort angeboten werde.

All das sind Zustände, die Marianne Donven untragbar findet. Zuletzt hatte sie zwar kein volles Rückkehrrecht mehr, doch sie hätte noch mit acht Stunden pro Woche in den Staatsdienst zurückkehren können. Damit hätte sie aber proportional viel mehr verdient als im Restaurant, sagt Donven und muss lachen. Sie habe zuletzt überlegt, was sie machen solle. „Ich hatte noch nicht definitiv entschieden, ob ich zurückgehen sollte; es wäre auf jeden Fall eine Auffrischung meiner Pension gewesen.“ Doch das Maß sei nun voll gewesen, sie habe sich nicht mehr mit dieser Regierung identifizieren können.

Marianne Donven konzentriert sich nun voll und ganz auf ihre vielen Initiativen und Projekte. Sie hat ein Ziel: „Ich will daran mitarbeiten, dass wir nicht zu weit nach rechts abdriften.“ Restaurants wie das Chiche seien Orte, die dazu beitrügen, findet sie: „Die Tausenden Leute, die jeden Monat zu uns kommen, werden schon mitkriegen, dass das lauter Flüchtlinge sind, die Lust haben, zu arbeiten, freundlich sind, dass immer ein Mensch dahintersteckt.“

Reaktionen aus der Politik

Das Innenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht zu der Causa äußern. Familien- und Integrationsminister Max Hahn (DP) reagierte am Mittwochmorgen bei RTL auf die Vorwürfe. Er betonte, dass die ohnehin vollen Aufnahmeeinrichtungen von ausreisepflichtigen Menschen blockiert würden, die sich illegal im Land aufhielten. „Um dem entgegenzuwirken, um gerade niemanden auf die Straße zu setzen, haben wir eben die Maison de retour eingeführt.“ Dort würden die Menschen begleitet und auf ihre Rückkehr in ihre Heimatländer vorbereitet.

Der Abgeordnete von Déi Gréng, Meris Sehovic, reichte am Mittwochmorgen eine Motion bei der Chamber ein, die am Nachmittag debattiert und schlussendlich abgelehnt wurde. Darin hatte er die Regierung zum Umdenken in Sachen Asylpolitik aufgefordert.