Seit dem Sturz des Assad-Regimes liegen die Asylanträge von Syrern in Luxemburg auf Eis.

Betroffene demonstrieren gegen diesen Schwebezustand
Syrische Asylbewerber fordern ein Ende der Wartezeit
Dutzende Syrer demonstrierten am Donnerstag dafür, dass ihre Asylanträge wieder bearbeitet werden.
POLITIK / MICHAEL MERTEN  Luxemburger Wort 7.März 2025


Es musste schnell gehen für Mohammad, der mit seiner Familie nach Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 aus Syrien ins Nachbarland Türkei geflohen war. Dort studierte er zuletzt im dritten Jahr Luftfahrttechnik, doch das Leben habe sich für die Syrer dort zuletzt verschlechtert, der Umgang durch die Behörden sei immer inhumaner geworden, erzählt der 22-Jährige.
Also verließ er das Bosporus-Land, reiste im April 2024 nach Luxemburg weiter und beantragte hier Asyl, weil er gehört hatte, dass das kleine Land viel Wert auf eine gute Bildung lege. „Ich war überrascht, wie viel Respekt man im Ministerium genießt, man wird mit Sir angesprochen“, sagt er in fließendem Englisch. An der hiesigen Universität gibt es zwar keine Möglichkeit, Luftfahrttechnik zu studieren, doch der englischsprachige Bachelor in Computer Science war es, auf den Mohammad seine Hoffnungen setzte. Doch Mohammad, der seine Heimat Syrien kaum wirklich kennt, der in seinem Fluchtland Türkei keine Perspektive für sich sah, ist auch in Luxemburg nicht wirklich angekommen. Seit fast einem Jahr liegt sein Asylantrag bei den Behörden. Als im Dezember 2024 der syrische Diktator Baschar al-Assad stürzte, verkomplizierte sich die Lage.
Anträge auf Eis gelegt
Denn wie die Menschenrechtslage unter den neuen Machthabern von der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ist, ist unklar. Deshalb hat Luxemburg wie viele andere EU-Staaten die Asylanfragen von Syrern auf Eis gelegt. Mohammads Hoffnung, studieren zu können, erfüllte sich nicht, das sei ihm nicht erlaubt, sagt er. Stattdessen absolviert er nun Französischkurse, er fühlt sich wie in einem Wartesaal.
Am Donnerstagmittag ist er unter den knapp drei Dutzend syrischen Asylbewerbern, die vor der Einbürgerungsbehörde in Rollingergrund demonstrieren. „Give us an answer“, gebt uns eine Antwort, so lautet ihr Motto. Eine Antwort auf die Frage, wie lange die Aussetzung der Asylanträge noch andauern soll. „Wir sind Menschen, keine Fallzahlen“,
heißt es auf Plakaten, oder: „Beendet die Folter der Unsicherheit!“ Unter den
Demonstranten sind nur zwei Frauen, die Asylbewerberinnen Loujain und Haneen.
„Warum diese lange Wartezeit?“, fragt Haneen. „Natürlich danken wir Luxemburg für alles, sie geben uns Essen, sie geben uns Geld. Aber das ist nicht das, wofür wir gekommen sind.“
Seit acht Monaten seien sie in Luxemburg, hier lernten sie Französisch, doch dafür seien sie nicht ins Großherzogtum gekommen. In ihrer Heimat sei die Lage miserabel, sagt Loujain, deren Familie noch dort lebe: „Der Krieg ist zwar beendet, aber es gibt keine Sicherheit, und die Menschen leiden immer noch.“

Loujain ist nach eigenen Angaben Pharmazeutin, Haneen Ingenieurin. Am liebsten würden sie in ihren Berufen arbeiten, betonen die Mittzwanzigerinnen, die in einer Unterkunft leben. Ihre Zertifikate und Qualifikationen könnten sie nicht anerkennen lassen, sagen sie. „Wir sitzen einfach fest. Wir können nicht zurück und wir können nicht hier bleiben.“ Die Frauen finden, dass ihnen eine baldige Antwort zusteht, ob sie eine Zukunft in Luxemburg haben oder nicht.
Keine Antwort in Sicht
Eine Antwort auf die Frage, wie lang ihr Schwebezustand dauert, ist nicht in Sicht. Nach Angaben des Innenministeriums vertraut Luxemburg darauf, dass die Asylagentur der Europäischen Union die Lage in Syrien unter den neuen Machthabern einschätzt. „Bis dahin bleibt die Bearbeitung der Asylanträge ausgesetzt“, heißt es vom Ministerium.
Rund 860 Menschen warteten derzeit auf einen Bescheid.
Das Ministerium betont, dass etwa die Hälfte der von der Aussetzung betroffenen Asylbewerber im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Luxemburg gereist sei.
„Anstatt den ihnen zustehenden Aufenthaltstitel zu beantragen, haben sie es jedoch bevorzugt, einen Asylantrag zu stellen. Sie können jederzeit auf diesen Asylantrag verzichten und ihren Aufenthaltstitel beantragen“, so das Innenministerium. Haneen sagt hingegen, dass die Verfahren für eine Familienzusammenführung langatmig und kompliziert seien.
„Syrien ist in keiner Weise sicher, vor allem nicht nach den jüngsten
Auseinandersetzungen mit Israel. Es gibt immer noch Milizen. Es ist extrem instabil“, sagt Mohammad. „In dieser Ungewissheit zu leben, zerstört den Ehrgeiz vieler Menschen, vor allem in meinem Alter, in den Lagern, oder sie werden deprimiert darüber, wie das Leben ist.“