Innenminister Gloden will härtere Gangart
Die Auflagen für öffentliche Demonstrationen sollen verschärft werden. Innenminister Léon Gloden hat dafür einen vertraulichen Entwurf vorgelegt.
„Die Komplexität der Prozeduren stört uns.“ Mit dieser Ansage hatte Premierminister Luc Frieden (CSV) vor fast genau einem Jahr angekündigt, die Axt im Bürokratiedschungel anzusetzen. Überflüssige Formulare in Verwaltungen und Ministerien sollten verschwinden, Prozeduren gestrafft und Verfahren beschleunigt werden, damit der Genehmigungsstau im Land, insbesondere mit Blick auf den Wohnungsbaumarkt, sich endlich auflösen möge.
Kernstück der simplification administrative (so hatte dasselbe Unterfangen noch unter Friedens ehemaligem Weggefährten Jean-Claude Juncker geheißen), bildet das Prinzip des „silence vaut accord“ bei einfachen Verwaltungsverfahren: Wer (zu lange) schweigt, stimmt zu.
Mit dem Grundsatz sollen Bürger, die bei Verwaltungen um Genehmigungen anfragen und nicht binnen Frist eine Antwort erhalten, trotzdem nicht blockiert sein: Das Schweigen gilt dann als Zustimmung. Ein wirkliche Verbesserung, die gleich mehrfach auf Pressekonferenzen vorgestellt wurde.
Unvollständige Anträge werden nicht bearbeitet
Aber nun will Innenminister Léon Gloden, ebenfalls, ausgerechnet bei einem Grundrecht, der Versammlungsfreiheit, das Prinzip umdrehen: Laut einem Gesetzentwurf aus seinem Ministerium, den die Handelskammer veröffentlicht hat, sollen Bürger, die eine Demonstration oder sonst eine Versammlung unter öffentlichen Himmel bei der Gemeinde anmelden, dies künftig mit fünf Tagen Vorlauf tun.
Das ist eigentlich eine Verbesserung gegenüber dem Istzustand (da sind es acht Tage), wäre da nicht das online abrufbare umfangreiche Formular, das sie zuvor ausfüllen müssen (persönliche Adresse, Anlass der Versammlung, Anfang und Ende, eventuelle Marschroute, geschätzte Teilnehmerzahl).
Fehlt eine Angabe, gilt der Antrag als nicht gestellt. Der Clou: Eigentlich sollten der Antragsteller oder die Antragstellerin binnen einees Tages Antwort vom Bürgermeister oder von der Bürgermeisterin bekommen.
Schweigt er jedoch mehr als vier Tage, nachdem der Antrag bei ihm oder ihr eingegangen ist, gilt das Schweigen als Ablehnung – selbst wenn alles ordnungsgemäß angemeldet wurde. Der Betreffende kann dann zwar vor dem Verwaltungsgericht Einspruch erheben, doch das Prinzip als solches steht im Gesetz, obwohl es sich bei der Versammlungsfreiheit um ein hohes Gut und ein Bürgerrecht handelt.
Hält sich der Veranstalter nicht an die Auflagen, riskiert er ein Strafgeld zwischen 500 und 7.500 Euro.
Schätzt der Bürgermeister die Lage so ein, dass bei der Demo die öffentliche Ordnung gefährdet sein könnte, etwa dadurch, dass die Proteste gewalttätig werden, kann er dem Anmelder respektive Veranstalter Auflagen auferlegen, damit die Versammlung doch friedlich verläuft, oder er kann sie verschieben oder einen anderen Ort vorsehen.
Hält sich der Veranstalter nicht an die Auflagen, riskiert er ein Strafgeld zwischen 500 und 7.500 Euro. Wer unerlaubt sein Gesicht auf einer Demonstration verdeckt, riskiert ein Strafgeld in Höhe von 251 bis 2.500 Euro.
Und sollte die Polizei den Verdacht haben, dass sich auf der Demo Menschen befinden, die unerlaubte Gegenstände (Waffen, Knüppel, Steinschleuder und anderes) bei sich führen, darf sie diese körperlich durchsuchen oder, bestätigt sich der Verdacht, von der Demo verweisen.
Polizei darf „Zusammenrottungen“ räumen
Wer sich aber zusammenrottet, um Gewalt auszuüben oder zu randalieren, riskiert sogar Gefängnis, nämlich 15 Tage bis drei Jahre und 500 bis 10.000 Euro Bußgeld. Hier darf die Polizei einschreiten: Kommt die Ansammlung der zweifachen Aufforderung durch die Polizei, den Platz zu räumen, nicht nach, dürfen die Ordnungskräfte sie unter Einsatz von Gewalt auflösen.
Anders als aber beispielsweise im deutschen Versammlungsgesetz ist die Bezeichnung „Zusammenrottung“ in Glodens Entwurf nicht präzise definiert.
Sollte das Gesetz in der Form durch das Parlament verabschiedet werden, wäre das eine weitere Verschärfung des Luxemburger Versammlungsrechts, nach dem die Dreierkoalition von DP, LSAP und Grünen im Jahr 2022 die Strafen für Widerstand gegen Polizeibeamte (Rebellion) heraufgesetzt hatten. Auch die Strafe für das Bespucken von Ordnungskräften wurde damals erhöht.