Ein Abschiebesystem für alle
MIGRATION EU-Kommission legt neuen Vorschlag für Rückführung abgelehnter Asylbewerber vor
Die EU-Staaten sollen ein einheitliches System für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erhalten. EU-Innenkommissar Magnus Brunner stellte die Pläne am Dienstag im EU-Parlament (EP) vor.
Die Rückführung von Menschen in ihr Herkunftsland, denen in der EU kein Asyl gewährt wurde und ansonsten kein Bleiberecht haben, wird weitestgehend als Schwachstelle der europäischen Asyl-und Migrationspolitik angesehen. Derzeit würden vier von fünf Menschen, die die EU wegen eines definitiv abgelehnten Asylgesuchs verlassen müssten, dem nicht nachkommen, sagte der für Inneres und Migration zuständige EU-Kommissar Magnus Brunner am Dienstag bei der Vorstellung einer neuen Rückführungsverordnung im EP. „Das ist nicht akzeptabel“, so der Österreicher, „das schwächt die Glaubwürdigkeit der EU.“ Denn das Vertrauen der EU-Bürger würde schwinden, wenn die EU nicht die Möglichkeit ergreife, die Migration zu steuern. „Die Regeln, die wir im Moment haben, reichen nicht mehr aus“, so Brunner weiter, der darauf hinwies, dass die nationalstaatlichen Regeln zu sehr „zersplittert“ seien.
Das soll sich nun mit einem einheitlichen Rückführungssystem ändern. Dieses gilt als wichtige Verlängerung und Ergänzung der im vergangenen Jahr beschlossenen neuen gemeinsamen Asyl-und Migrationsgesetzgebung, die bis spätestens Mitte kommenden Jahres in allen EU-Staaten in Kraft treten soll. Nach den vorgestellten Plänen wird eine „europäische Rückkehranordnung“ eingeführt, die nach einem Verfahren von den Mitgliedstaaten erlassen wird. Diese Anordnung soll im Schengener Informationssystem hinterlegt werden, was es den anderen Mitgliedstaaten erlauben würde, diese anzuerkennen, führte Magnus Brunner weiter aus. Sollte ein abgelehnter Asylbewerber in einen anderen EU-Staat ausweichen, bräuchte demnach kein neues Verfahren durchgeführt zu werden und die Anordnung könnte ohne weiteres ausgeführt werden. Weiter würden die Rechte der Menschen, die unter ein solches Abschiebeverfahren fallen, kodifiziert. Zudem gebe es eine Rückführungsberatung sowie einen „unabhängigen Monitoring-Mechanismus“, damit die Rückführung unter Achtung der Grundrechte durchgeführt werde, so der EU-Kommissar weiter.

EU-Innenkommissar Magnus Brunner stellte den neuen Vorschlag am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg vor
Foto: Mathieu Cugnot/European Union 2025/EP
Kritik an geplanten Rückführungszentren
Doch es soll auch Anreize für die freiwillige Rückkehr geben. Der einzige positive Anreiz ist jedoch lediglich eine in Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung. In Fragen und Antworten der Kommission zur neuen Verordnung bestehen andere „Anreize“ vorwiegend auf der Drohung, dass es zu Zwangsrückführungen kommen kann, wenn die betreffenden Personen nicht kooperieren. Dies ist etwa der Fall, wenn die Rückkehr nicht im vorgeschriebenen Zeitraum erfolgt oder sich die Betreffenden in ein anderes EU-Land begeben. Wer nicht kooperiert, werde mit „klaren Konsequenzen“ zu rechnen haben, wie „z.B. die Kürzung oder Streichung von Unterhaltsleistungen oder die Beschlagnahme der Reisedokumente“, heißt es in einem Kommissionspapier. Zudem erhalten die EU-Staaten mehr Möglichkeiten, um festzustellen, wo sich die für eine Rückführung vorgesehenen Personen aufhalten, etwa indem diese eine „finanzielle Sicherheit hinterlegen, sich regelmäßig melden“ oder an einem bestimmten Ort aufhalten müssen. Mit Zwangsrückführungen müssen zudem jene Personen rechnen, die von den Mitgliedstaaten als Sicherheitsrisiko eingestuft werden. Sie können bis zu 24 Monate und mehr in Haft kommen.
Der EU-Kommissar wies jedoch darauf hin, dass die neue Verordnung lediglich die „interne Dimension“ der Rückführungen abdecke. Denn auf die externe Dimension haben die EU-Staaten weniger Einfluss. So geht die relativ geringe Zahl an Abschiebungen von abgelehnten Asylantragstellern auch auf den Umstand zurück, dass ihre Herkunftsländer die Wiederaufnahme verweigern. Manche EP-Abgeordnete verlangten während der Debatte zum Thema, dass gegen diese Länder Sanktionen eingeführt werden müssten. Magnus Brunner meinte, dass mit diesen Ländern „starke Partnerschaften“ aufgebaut werden müssten.
Die meiste Kritik führten die EU-Parlamentarier gegen die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Möglichkeit an, sogenannte „Return Hubs“, Rückführungszentren in Drittstaaten außerhalb der EU, einzurichten. Manche EU-Staaten würden solche „innovativen Lösungen für das Migrationsmanagement“ fordern, erklärt die EU-Kommission. Auf der Basis von bilateralen Abkommen mit Drittstaaten sollten solche Rückführungszentren in Zukunft eingerichtet werden, in die dann endgültig abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden können. Ausgenommen davon seien jedoch Minderjährige sowie Familien mit Kindern. Doch nicht wenige EP-Abgeordnete stellten die Frage, welchen Vorteil die „Return Hubs“ hätten.
Rechtsextremen geht es nicht weit genug
So fragte etwa die französische EP-Abgeordnete der liberalen Renew Fabienne Keller, welchen Sinn es habe, Menschen in ein Land abzuschieben, „zu dem sie keinen Bezug haben“. Die deutsche S&D-Abgeordnete Birgit Sippel wiederum fragte sich, was mit den Menschen in diesen Rückführungszentren geschehen soll, für die zudem keine Regeln und Kontrollen vorgesehen seien. „Die Einführung sogenannter ‚Rückkehrzentren‘ – oder die Schaffung rechtlicher Grundlagen für solche Strukturen – würde erhebliche Menschenrechtsrisiken mit sich bringen und die Verantwortung für die Rückführung auf Drittländer abwälzen“, erklärte ihrerseits die luxemburgische Grünen-Abgeordnete Tilly Metz in einer Mitteilung.
Die Einführung sogenannter ‚Rückkehrzentren‘ (…) würde erhebliche Menschenrechtsrisiken mit sich bringen und die Verantwortung für die Rückführung auf Drittländer abwälzen
Tilly Metz
luxemburgische Grünen-Abgeordnete im EP
luxemburgische Grünen-Abgeordnete im EP
Die Notwendigkeit neuer Abschieberegeln wurde während der Debatte kaum infrage gestellt, auch wenn der vorliegende Vorschlag vor allem links der politischen Mitte mehr oder weniger auf Kritik stieß. So sprach die spanische Linken-Politikerin Estrella Galan von einem „grausamen Vorschlag“ und die niederländische Grünen-Abgeordnete Tineke Strik befürchtet, dass mit der neuen Verordnung „die Rechtsextremen beschwichtigt“ werden sollen. Denen geht der Vorschlag jedoch nicht weit genug. Die deutsche EP-Abgeordnete Mary Khan von der rechtsextremen Fraktion Europa der souveränen Nationen etwa verlangte sogenannte „Pushbacks“, also Vertreibungen von Asylsuchenden an den EU-Außengrenzen. Eine „Remigration“ forderte ihr slowakischer Fraktionskollege Milan Mazurek, der Migranten pauschal als „Verbrecher“ bezeichnete.
Der Kommissionsvorschlag soll ein bestehendes Gesetz aus dem Jahr 2008 sowie einen Reformvorschlag aus dem Jahr 2018 ersetzen. Die Verordnung wird nun sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat der EU-Mitgliedstaaten bearbeitet und nach gemeinsamen Beratungen verabschiedet.