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An der Grenze

An der Grenze

Vor fünf Jahren entschied Angela Merkel, mehrere Hunderttausend Flüchtlinge ins Land zu lassen. Und heute? Eine Geschichte in 110 Nachrichten

Zeit – dossier 19. August 2020

 

Wir schaf­fen das

Ein Groß­teil der Ge­flüch­te­ten, die 2015 ins Land ka­men, wa­ren Ju­gend­li­che. Ha­ben sie ei­nen Aus­bil­dungs­platz ge­fun­den, ei­nen Job? Ei­ne Zwi­schen­bi­lanz VON ARN­FRID SCHENK   Die Zeit 19.08.2020

Im Herbst 2018 wird Fe­lix Wink­ler klar, dass da et­was nicht so läuft, wie es lau­fen soll­te. Er sieht sich ge­zwun­gen, Alarm zu schla­gen. Wink­ler ist Schul­lei­ter der Ge­werb­li­chen Schu­len in Stutt­gart. Sei­ne Ein­drü­cke so­wie die von Leh­rern und Rek­to­ren­kol­le­gen ver­dich­ten sich zu ei­nem be­sorg­nis­er­re­gen­den Ge­samt­bild: Die Sprach­de­fi­zi­te der Ge­flüch­te­ten, die als Aus­zu­bil­den­de in den Klas­sen der Stutt­gar­ter Be­rufs­schu­len sit­zen, sind so ge­wal­tig, dass ein nor­ma­ler Un­ter­richt kaum mög­lich ist.

Wink­ler will es ge­nau wis­sen und in­iti­iert Deutsch­tests an al­len 21 Be­rufs­schu­len der Stadt. Das Er­geb­nis ist noch ver­hee­ren­der als be­fürch­tet: Von den 1000 neu zu­ge­wan­der­ten Aus­zu­bil­den­den sind auch nach zwei oder drei Jah­ren in Deutsch­land nur 116 in der La­ge, sich an ei­ner Fach­dis­kus­si­on zu be­tei­li­gen, 40 Pro­zent der Lehr­lin­ge er­rei­chen ge­ra­de ein­mal die Sprach­ni­veaus A1 und A2. Ru­di­men­tä­res Deutsch, das nicht an­satz­wei­se den er­for­der­li­chen Kennt­nis­sen ent­spricht. Fach­un­ter­richt ist so nicht mach­bar.

Die Schul­lei­ter wen­den sich an die Stadt, war­nen, dass die Aus­bil­dung von fast der Hälf­te der Azu­bis mit Flucht­hin­ter­grund zu schei­tern dro­he: Sie wür­den die schrift­li­chen Ab­schluss­prü­fun­gen nicht schaf­fen. Die für Bil­dung zu­stän­di­ge Bür­ger­meis­te­rin spricht von ei­ner »Zeit­bom­be«.

Fe­lix Wink­ler, Lei­ter der Schu­le für Far­be und Ge­stal­tung in Stutt­gart-Feu­er­bach, er­zählt das an­dert­halb Jah­re spä­ter an ei­nem Ju­li­tag kurz vor den Som­mer­fe­ri­en. 70 Flücht­lin­ge be­su­chen sei­ne Schu­le, in man­chen Klas­sen stel­len sie fast die Hälf­te der Schü­ler. Wink­ler sagt: »Vie­les wur­de am An­fang zu ro­sig ge­malt.«

Die­ser An­fang war der Som­mer 2015. Vor fünf Jah­ren be­an­trag­ten in Deutsch­land 477.000 Men­schen Asyl, 2016 wa­ren es 746.000. Es wa­ren die größ­ten Zu­zü­ge seit En­de des Zwei­ten Welt­krie­ges. Die meis­ten Men­schen ka­men aus Sy­ri­en, Af­gha­nis­tan, dem Irak, dem Iran und Eri­trea. Ein Groß­teil von ih­nen zwi­schen 18 und 24 Jah­ren alt, rund 280.000 – schon zu alt für ei­ne all­ge­mein­bil­den­de Schu­le; ei­ne Aus­bil­dung war der na­he­lie­gen­de Weg in den Ar­beits­markt.

Die Eu­pho­rie des An­fangs war groß, die Wirt­schaft hoff­te auf Fach­kräf­te von mor­gen. Al­len vor­an der da­ma­li­ge Daim­ler-Chef Die­ter Zet­sche: Es sei ei­ne Her­ku­les­auf­ga­be, die Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men, »aber im bes­ten Fall kann es auch ei­ne Grund­la­ge für das nächs­te deut­sche Wirt­schafts­wun­der wer­den«. Die Flücht­lin­ge ka­men in ei­ner Zeit, in der vie­le Lehr­stel­len in Deutsch­land un­be­setzt blie­ben, 37.000 wa­ren es al­lein 2015. Hand­werks- und Han­dels­kam­mern, Un­ter­neh­men, Be­hör­den, das Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um und die Bun­des­agen­tur für Ar­beit grün­de­ten In­itia­ti­ven, um die Ge­flüch­te­ten in ei­ne Aus­bil­dung zu brin­gen.

Und heu­te? Wie sieht es aus, fünf Jah­re nach An­ge­la Mer­kels »Wir schaf­fen das!«? Wie kom­men die jun­gen Ge­flüch­te­ten zu­recht in Aus­bil­dung und Be­rufs­schu­len? Der Schul­lei­ter Fe­lix Wink­ler ist in der Zwi­schen­zeit zu­ver­sicht­li­cher. Die Stadt Stutt­gart hat rasch re­agiert, ei­nen Aus­bil­dungs­gip­fel or­ga­ni­siert, Mo­dell­pro­jek­te ge­star­tet und drei Aus­bil­dungs­ma­na­ger ein­ge­stellt. Sie sol­len die Ge­flüch­te­ten zum Be­rufs­ab­schluss be­glei­ten, ei­ne Ver­bin­dung zwi­schen Schu­le und Be­trieb schaf­fen. Ih­re wich­tigs­te Auf­ga­be: pas­sen­de Sprach­kur­se mit be­rufs­be­zo­ge­nen In­hal­ten fin­den. Und – nicht ein­fach – die Be­trie­be da­von über­zeu­gen, dass sie ih­re Azu­bis für zu­sätz­li­che Deutsch­kur­se frei­stel­len.

Das Pro­gramm zei­ge Wir­kung, be­rich­tet Wink­ler, das Sprach­ni­veau ver­bes­se­re sich, noch lang­sam, aber spür­bar. Die Mo­ti­va­ti­on der Schü­ler sei sehr hoch. Auch wenn die Ge­fahr des Schei­terns wei­ter­hin groß sei, hofft er, dass man in zwei Jah­ren über den Berg sei.

Es gibt in Ba­den-Würt­tem­berg wie in vie­len Bun­des­län­dern Vor­be­rei­tungs­klas­sen für Be­rufs­schu­len. Die Vor­stel­lung, dass die Flücht­lin­ge dort in ei­nem Jahr die nö­ti­gen Deutsch­kennt­nis­se er­lan­gen, sei völ­lig ir­re­al ge­we­sen, sagt Wink­ler. Aber vie­le Fir­men hat­ten Pro­ble­me, Lehr­lin­ge zu fin­den, al­so stell­te man das Sprach­pro­blem hint­an. Jetzt rächt es sich. Spricht man mit Mi­gra­ti­ons­ex­per­ten und Prak­ti­kern, zeigt sich, dass das in vie­len an­de­ren Re­gio­nen ähn­lich lief. Deutsch­land war zu un­ge­dul­dig.

Mitt­ler­wei­le stimmt die Rich­tung im Gro­ßen und Gan­zen. Ein Blick in die Sta­tis­tik der Bun­des­agen­tur für Ar­beit zeigt: Der­zeit ma­chen 55.000 Ge­flüch­te­te aus den acht häu­figs­ten Her­kunfts­län­dern ei­ne Aus­bil­dung. Die Zahl scheint klein, aber In­te­gra­ti­on ist ein Ma­ra­thon, kein Sprint, das zeigt die Stei­ge­rung ge­gen­über den Vor­jah­ren, 2015 wa­ren es 6600, 2017 im­mer­hin schon 27.000. Die Zahl der Ab­bre­cher ist leicht hö­her als un­ter ein­hei­mi­schen Azu­bis. In den ers­ten Jah­ren hat­ten vie­le Ge­flüch­te­te auf ei­ne Leh­re ver­zich­tet und Hel­fer­jobs be­vor­zugt, um mög­lichst schnell et­was Geld zu ver­die­nen und ih­re Fa­mi­lie in der al­ten Hei­mat zu un­ter­stüt­zen. All­mäh­lich wächst der An­teil de­rer, die ver­ste­hen, dass sich ei­ne Aus­bil­dung lohnt.

Der Deut­sche In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer­tag (DIHK) hat 2016 das bun­des­wei­te Netz­werk »Un­ter­neh­men in­te­grie­ren Flücht­lin­ge« ge­grün­det. Es ist der größ­te Zu­sam­men­schluss von Fir­men, um Ge­flüch­te­te in Aus­bil­dung und Ar­beit zu brin­gen. Sa­rah Stro­bel, Re­fe­ren­tin für das Pro­jekt, fasst die ver­gan­ge­nen Jah­re so zu­sam­men: »Es hat sich gut ent­wi­ckelt.« Knapp 2500 Un­ter­neh­men ma­chen mit, vor al­lem klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Fir­men. Ins­ge­samt be­schäf­ti­gen sie 9300 Ge­flüch­te­te. Um­fra­gen in den Be­trie­ben zei­gen deut­lich: Was das Prak­ti­sche an­be­langt, ma­chen die Azu­bis ei­nen gu­ten Job. Sie zei­gen aber auch, dass die man­geln­den Sprach­kennt­nis­se auch nach Jah­ren noch ein Han­di­cap sind.

Dass vie­le Ge­flüch­te­te in den Be­rufs­schu­len kaum mit­hal­ten kön­nen, gilt mitt­ler­wei­le als die größ­te Hür­de auf ih­rem Weg in den Ar­beits­markt. Vor al­lem die Klau­su­ren am En­de der Aus­bil­dung be­rei­ten Sor­ge. Die Han­dels­kam­mern ha­ben re­agiert und bie­ten da­für Vor­be­rei­tungs­kur­se an. Doch die Ex­amens­fra­gen sei­en oft sper­rig, hört man von Prü­fern, selbst Mut­ter­sprach­ler müss­ten man­che drei­mal le­sen, um zu ver­ste­hen, was ge­nau ge­fragt sei. Oft liegt die Schwie­rig­keit auch in der Mehr­deu­tig­keit: Dass zum Bei­spiel die Fra­ge »Bei wel­chen Ar­ti­keln han­delt es sich um so­ge­nann­te Pen­ner­ar­ti­kel?« auf Wa­ren zielt, die sich schlecht ver­kau­fen, er­schließt sich nicht un­be­dingt.

Ei­ne Stu­die aus dem Jahr 2017 er­gab, dass 76 Pro­zent der Azu­bis mit Flucht­hin­ter­grund die Prü­fung be­stan­den, un­ter den Ein­hei­mi­schen wa­ren es 92 Pro­zent. Ak­tu­el­le­re Zah­len gibt es nur bei den re­gio­na­len Kam­mern.

Ei­ne Stich­pro­be in Nürn­berg. Ste­fan Kast­ner, Lei­ter des Be­reichs Be­rufs­bil­dung der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer, sitzt in sei­nem Bü­ro und schaut in sei­ne Un­ter­la­gen. 9000 Aus­bil­dungs­be­trie­be gibt es in Mit­tel­fran­ken, rund ein Drit­tel be­schäf­tigt Ge­flüch­te­te. Im ver­gan­ge­nen Jahr ha­ben 75 Pro­zent der Azu­bis aus den acht häu­figs­ten Her­kunfts­län­dern be­stan­den, ge­gen­über 92 Pro­zent bei ein­hei­mi­schen Prü­fungs­teil­neh­mern. Auch Kast­ner macht die Er­fah­rung: Die Flücht­lin­ge ha­ben Pro­ble­me in der Schu­le, nicht in den Be­trie­ben. Schaf­fen wir das? – Ja, sagt Kast­ner. Man brau­che Ge­duld, aber es lau­fe.

Aus­dau­er braucht auch der Neu-Nürn­ber­ger Mahmud. Er hat­te es trotz mi­se­ra­bler Start­chan­cen schon fast ge­schafft, im letz­ten Mo­ment stol­per­te er trotz­dem. Er ist 20 Jah­re alt, in Alep­po be­such­te er die Grund­schu­le, wie üb­lich sechs Jah­re lang. Dann kam der Krieg in die Stadt, sei­ne El­tern schick­ten ihn mit ei­nem On­kel auf die Flucht nach Eu­ro­pa, da war er 13. Als er in Nürn­berg an­kam, war er 15. Nach neun Mo­na­ten be­gann er mit sei­nem ers­ten Deutsch­kurs. Dort fiel er auf als ei­ner, der schnell lernt, und be­kam ei­ne Aus­bil­dung in ei­nem Re­stau­rant ver­mit­telt. In der Be­rufs­schu­le war er fast drei Jah­re lang der ein­zi­ge Flücht­ling in sei­ner Klas­se, es lief gut auf sei­nem Weg zum Re­stau­rant-Fach­mann.

Mahmud er­zählt das flüs­sig, man kann sich pro­blem­los mit ihm un­ter­hal­ten. Im Ju­ni kam dann die Ab­schluss­prü­fung, we­gen Co­ro­na fand in den Mo­na­ten da­vor kei­ne Schu­le statt. Mahmud hat­te viel ge­lernt, ge­reicht hat es nicht. Zwar durf­te er ein Le­xi­kon be­nut­zen, aber das kos­te­te Zeit, und man­che Fra­ge hat er doch nicht recht ver­stan­den. In zwei Mo­na­ten be­kommt er ei­ne neue Chan­ce, zwei­mal darf die Prü­fung wie­der­holt wer­den. Mahmud ist gu­ter Din­ge: »Wenn man will, kann man al­les schaf­fen.«

Her­bert Brü­cker vom In­sti­tut für Ar­beits­markt- und Be­rufs­for­schung (IAB) ge­hör­te nicht zu de­nen, die in den Flücht­lin­gen schon die Fach­kräf­te für mor­gen sa­hen. Er lei­tet den For­schungs­be­reich Mi­gra­ti­on, In­te­gra­ti­on und in­ter­na­tio­na­le Ar­beits­markt­for­schung am IAB. Be­reits 2015 lau­te­te sei­ne Ein­schät­zung, dass es we­nigs­tens fünf Jah­re dau­ern wer­de, bis die Hälf­te al­ler Ge­flüch­te­ten ei­ne Ar­beit ge­fun­den ha­be. Die­sen Fe­bru­ar er­gab ei­ne Lang­zeit-Be­fra­gung des IAB, dass Brü­cker rich­tig lag: Fünf Jah­re nach der An­kunft hat­te et­wa die Hälf­te der Ge­flüch­te­ten ei­nen Job, 52 Pro­zent da­von als Fach­kräf­te, 44 Pro­zent als Hel­fer.

Dann kam das Co­ro­na­vi­rus. Die Ge­flüch­te­ten lei­den be­son­ders un­ter den Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mie, vie­le von ih­nen ar­bei­ten in stark ge­schä­dig­ten Wirt­schafts­zwei­gen wie Ho­tels und Gast­stät­ten. Et­li­che ha­ben ih­re Jobs ver­lo­ren, an­de­re ban­gen um ih­re Aus­bil­dung. Ein Rück­schlag. Dass sich da­durch der po­si­ti­ve Trend lang­fris­tig um­kehrt, glaubt Brü­cker aber nicht. Das Fa­zit des Mi­gra­ti­ons­ex­per­ten: Man hat viel ge­schafft, aber es gibt auch noch viel zu tun. Wich­tigs­te Auf­ga­be: be­rufs­be­zo­ge­ne Sprach­kur­se. Bis die meis­ten Flücht­lin­ge mit der neu­en Spra­che pro­blem­los ar­bei­ten kön­nen, wird es noch dau­ern.

Consultation pour le prochain AMIF (2021-2027)

Lancement de la consultation dans le cadre du prochain programme national pluriannuel du Fonds européen “Asile, migration et intégration” (AMIF 2021-2027)

La nouvelle période de programmation du Fonds européen “Asile, migration et intégration” (AMIF 2021-2027) est en cours de négociation entre le Parlement européen, le Conseil et la Commission européenne.

Le Fonds continuera à soutenir les politiques globales de l’Union européenne dans le domaine des migrations, de l’intégration et du retour et vise à réaliser les objectifs spécifiques suivants:

Renforcer et développer tous les aspects du régime d’asile européen commun, y compris sa dimension extérieure;
Soutenir la migration légale vers les États membres et promouvoir l’intégration effective des ressortissants de pays tiers;
Contribuer à lutter contre la migration irrégulière et garantir l’efficacité du retour et de la réadmission dans les pays tiers.

En vue d’assurer une utilisation optimale des opportunités de financement, le ministère des Affaires étrangères et européennes et le Département de l’intégration du ministère de la Famille, de l’Intégration et à la Grande Région, lancent une consultation.

L’objectif est d’identifier les défis, besoins et priorités au Luxembourg et d’obtenir des recommandations et des propositions d’action précises en vue de la prochaine programmation nationale du Fonds AMIF de 2021-2027.

La consultation est limitée aux associations et organismes œuvrant dans le domaine de l’asile, de la migration et de l’intégration et sera ouverte du 15 août au 15 septembre 2020 sur le site https://etat.emfro.lu/s3/AMIF-2021-2027.

„Verstoß gegen Grundrechte von Flüchtlingen“

Le communiqué du LFR

VORWÜRFE DES FLÜCHTLINGSRATS Immigrationsdirektion setze Schutzbedürftige auf die Straße

Der „Lëtzebuerger Flücht-lingsrot“ (LFR) erhebt schwer-wiegende Vorwürfe gegen die staatliche Immigrations-direktion und verkündet, ab sofort Mitarbeiter vor der Ver-waltung zu postieren, die Asylbewerber über ihre Rech-te aufklären sollen – Rechte, die trotz bereits mehrfach ge-äußerter Kritik nicht respek-tiert würden, so die Plattform mehrerer Menschenrechts-organisationen.

tageblatt 12. August 2020

Quand la direction de l’Immigration «préjuge»

Selon le LFR, certains demandeurs d’asile seraient «intimidés, voire découragés» par les agents de l’administration lors du dépôt de leur demande. Les autorités démentent.

Le Quotidien 12 août 2020

Des représentants d’associations membres du Lëtzebuerger Flüchtlingsrot – Collectif Réfugiés (LFR) se sont retrouvés hier matin devant la direction de l’Immigration. Leur objectif : aller à la rencontre des demandeurs de protection internationale venus pour déposer une demande d’asile afin de les informer de l’existence d’associations à qui ils peuvent s’adresser en cas de question. Mais hier, personne n’a pu enregistrer sa demande de protection internationale à la direction de l’Immigration en raison «d’un problème informatique».

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Straucheln trotz guter Absichten

Luxemburg. „Wenn sich die Lokalbevölkerung und die Asylbewerber treffen, kommt es zu einem Austausch, der am Ende jedem etwas bringt.“ Cassie Adelaide versinkt in dem großen Polstersessel inmitten eines spärlich eingerichteten Zimmers. Das Büro befindet sich im ersten Stockwerk der Lokalitäten der „Passerell“. Die junge Frau ist Mitgründerin der vor vier Jahren ins Leben gerufenen Vereinigung, deren Hauptaufgabe die Rechtsberatung von Asylbewerbern in Luxemburg ist.

Luxemburger Wort 10. August 2020

Keine Papiere, kein Schutz

Die Situation der „sans-papiers“

Die Corona-Krise hat eine Bevölkerungsschicht, der schon normalerweise nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, noch weiter ins Abseits gestellt. Die Rede ist von den „sans-papiers“. Ohne Papiere fällt man bei Problemen durch das soziale Netz, das zugegebenermaßen in Luxemburg gut, aber eben auch nicht perfekt ist. In den meisten Fällen arbeiten Menschen ohne Papiere im Billiglohnsektor, sprich auf dem Bau, im Gaststätten- oder Reinigungsbereich. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Betriebs sind sie die Ersten, die ihre Arbeit verlieren. Corona ist auch für sie mehr als ein Gesundheitsproblem.
Das Gesundheitsministerium hat zwar alle Menschen – auch solche ohne Papiere und ohne Sozialversicherung – aufgerufen, sich testen zu lassen. Dass viele allerdings ganz einfach Angst haben, sich testen zu lassen, scheint nicht bedacht worden zu sein, denn werden sie positiv getestet, laufen sie Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren. Hinzu kommt die Angst, durch einen Test von den Behörden entdeckt zu werden.
Der Staat hat die moralische Pflicht, auch ihnen zu helfen, alleine schon weil der Niedriglohnsektor, in dem sie arbeiten, doch irgendwie geduldet ist. Von humanen Gründen einmal abgesehen, sind es aber auch gesundheitspolitische Überlegungen, die die Regierung dazu bewegen sollten, der Problematik mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „Papierlose“ können maßgeblich – im negativen Sinne – die öffentliche Gesundheit beeinflussen. Die Lebensbedingungen der Menschen, die für weniger als den Mindestlohn und ohne Rechtssicherheit arbeiten, sind meistens schlecht: Sie leben in Wohngemeinschaften, mehrere Personen auf engstem Raum, also ideale Krankheitsherde, wie etliche Beispiele aus dem Ausland zeigen. Das Problem der „sans-papiers“ ist nun auch eine Frage der öffentlichen Gesundheit. Sollten sie positiv auf Covid-19 getestet werden, kommt ein weiteres hinzu, wie die ASTI kürzlich in einer Pressemitteilung monierte: Orte, wohin solche Leute in Quarantäne gebracht werden können, seien nicht vorgesehen. Eine Lösung könne sein, wie die ASTI der Regierung vorschlägt, mit Hotels zusammenzuarbeiten, denen es ohnehin an Gästen mangelt.
Bei Arbeitsverlust stünden „sans-papiers“ mittellos da, wären nicht Organisationen wie die ASTI oder Caritas eingesprungen und hätten die soziale Verantwortung übernommen. Die ASTI zum Beispiel hat an 253 Familien und Einzelpersonen Essensgutscheine im Wert von rund 36.000 Euro verteilt. Auch die Caritas half Bedürftigen unabhängig von deren Rechtsstatus und machte Ausnahmen, was den Zugang zu den „Caritas-Butteker“ betrifft, für die man normalerweise eine „Überweisung“ eines Sozialamts benötigt.
Die populistische Antwort auf die Frage „Was tun mit den Papierlosen?“ lautet: „Schickt sie nach Hause!“ Abgesehen davon, dass das menschlich keine Option ist, wäre es auch völlig zwecklos. Wie auf jedem Markt bestimmt die Nachfrage das Angebot. Schicken wir jene nach Hause, kommen andere.
Nötig ist wieder einmal eine Regularisierung der „sans-papiers“, wie es 2013 und 2001 der Fall war. Es wäre allerdings nur eine temporäre Lösung, denn ohne weitere Maßnahmen werden wir in einigen Jahren wieder mit dem Problem konfrontiert sein. Eine stärkere staatliche Kontrolle der betroffenen Bereiche ist ebenso vonnöten wie eine Immigrationspolitik, die mehr ist als bloße Repression der illegalen Einwanderung.

Editorial tageblatt  4. August 2020