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“Das ist eine Schande”

Als Grandi 2016 sein Amt als Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge antrat, steckte Europa mitten in der Flüchtlingskrise. Seitdem muss er Antworten finden auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: Was tun, wenn sich immer mehr Menschen auf der Flucht befinden, aber immer weniger Staaten bereit sind, Vertriebene aufzunehmen? Grandi, 62, ist Chef einer Behörde mit mehr als 16 000 Mitarbeitern, die von den griechischen Inseln bis Uganda im Einsatz sind. Am Dienstag eröffnete er das Global Refugee Forum in Genf, eine der größten Flüchtlingskonferenzen der Geschichte.

SPIEGEL: Herr Grandi, während sich vor allem Industrienationen abschotten, sind so viele Vertriebene auf der Flucht wie noch nie. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?

Grandi: Die finanzielle Unterstützung der Staaten ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Deutschland gibt uns viermal so viel Geld wie noch vor rund zehn Jahren. Aber Sie haben recht, insbesondere die reichen Staaten des globalen Nordens sind immer weniger bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Es braucht Programme, mit denen ausgewählte Flüchtlinge direkt aus einem Krisengebiet in ein sicheres Land gebracht werden.

SPIEGEL: Allerdings stellen die Staaten immer weniger Plätze für solche Umsiedlungen zur Verfügung.

Grandi: Das ist in der Tat sehr besorgniserregend. Die USA haben ihr Resettlement-Programm drastisch zusammengekürzt. Sie geben an, dass sie Probleme haben, die Flüchtlinge auszuwählen und zu überprüfen. Ich hoffe, dass die amerikanische Regierung diese Probleme bald löst und wieder mehr Kapazitäten schafft.

SPIEGEL: Hinter der Entscheidung steht vor allem Donald Trump. Aber die EU setzt auf einen ähnlichen Ansatz, auch sie schottet sich zunehmend ab.

Grandi: Da muss man unterscheiden: Es gibt Probleme mit irregulärer Migration, mit Zuwanderern, die eher aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen. Die müssen wir von Flüchtlingen unterscheiden. Das ist kompliziert, aber wichtig.

SPIEGEL: Legale Wege in die EU gibt es aber auch für Flüchtlinge kaum noch, weil die Grenzen vielerorts dicht sind. Sie sind größtenteils gezwungen, illegal einzureisen, wenn sie Asyl beantragen wollen.

Grandi: Das stimmt. Aber es ist wichtig, auf irreguläre Migration zu reagieren, um zu vermeiden, dass zu viele Menschen das Asylsystem missbrauchen. Viele irreguläre Migranten haben keine andere Wahl, als Asyl zu beantragen, und überlasten so das Asylsystem – das muss korrigiert werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass irreguläre Migranten Menschen sind. Ihre Rechte und ihre Würde müssen gewahrt werden. Es ist niederschmetternd zu sehen, wie Migranten dämonisiert und stigmatisiert werden.

SPIEGEL: Andauernde Kriege, Hungersnöte, dazu die Folgen des Klimawandels: In den kommenden Jahren werden eher mehr Menschen flüchten als weniger. Ist die Welt darauf vorbereitet?

Grandi: Sie ist nicht sehr gut vorbereitet. Neue Fluchtursachen wie der Klimawandel wirken sich auf verschiedene Arten aus: Menschen werden etwa nach und nach von untergehenden Inseln fliehen – den Umgang damit kann man planen. Sie werden auch fliehen, weil Naturkatastrophen häufiger vorkommen und größere Schäden anrichten werden – diese Menschen werden ihre Heimat plötzlich verlassen, aber könnten irgendwann zurückkehren. Auf jede dieser Fluchtursachen müssen Staaten mit unserer Hilfe eine maßgeschneiderte Antwort finden.

SPIEGEL: Muss die Genfer Flüchtlingskonvention ausgeweitet werden, um auch Klimaflüchtlinge anzuerkennen?

Grandi: In der gegenwärtigen politischen Situation wäre es äußerst unklug, den Geltungsbereich der Konvention zur Debatte zu stellen. Jeder Versuch, die Konvention zu reformieren, würde mit ziemlicher Sicherheit aktuell dazu führen, dass die Flüchtlingsdefinition verengt oder die gesamte Konvention infrage gestellt würde.

SPIEGEL: Das halten Sie für möglich?

Grandi: Ja, fast überall auf der Welt haben Politiker Erfolg damit, Flüchtlinge als Sicherheitsproblem oder Invasoren zu bezeichnen. Die Gefahr ist, dass das Konzept des Flüchtlingsschutzes ganz verschwindet. Wenn ich Regierungen in Afrika, Lateinamerika und anderen Teilen der Welt auffordere, ihre Grenzen angesichts großer Flüchtlingsströme offen zu halten, fragen sie mich, warum sie das tun sollten. Schließlich wollen sich selbst reichere Länder abschotten. Die EU nimmt derzeit vergleichsweise wenige Flüchtlinge auf – gleichzeitig hat sie mehr Ressourcen zur Verfügung. Europa hat deswegen eine Verantwortung, Flüchtlingen weiterhin Schutz zu bieten.

SPIEGEL: Sie haben beim Global Refugee Forum auch Unternehmen wie Lego und Ikea eingeladen mitzudiskutieren. Sollen jetzt Firmen helfen, wenn sich immer weniger Staaten für den Flüchtlingsschutz engagieren?

Grandi: Nein, die Unterstützung von Flüchtlingen liegt in erster Linie in der Verantwortung von Staaten. Aber warum sollten wir nicht um die Hilfe anderer Akteure werben und Unternehmen einbinden? Wir leben in einer Zeit, in der Flüchtlinge oftmals als Problem dargestellt werden. Da ist jede zusätzliche Hilfe willkommen. Außerdem helfen private Akteure dabei, Arbeitsplätze zu schaffen und Regionen wirtschaftlich voranzubringen, die viele Flüchtlinge aufnehmen.

SPIEGEL: Auf den griechischen Ägäisinseln leben derzeit mehr als 40 000 Migranten und Flüchtlinge in Lagern unter unmenschlichen Bedingungen. Warum schaffen es das UNHCR, die EU und der griechische Staat nicht, diese Menschen angemessen zu versorgen?

Grandi: Ich war vor drei Wochen in Griechenland und habe mit der Regierung gesprochen. Die Zahl der Ankünfte auf den Ägäisinseln war lange Zeit sehr niedrig, aber in den vergangenen Monaten ist sie wieder gestiegen. Unsere Priorität ist es, die Inseln zu entlasten, indem mehr Menschen auf das Festland gebracht werden.

SPIEGEL: Das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU sieht aber vor, dass die Asylbewerber bis zu ihrem Bescheid auf den Inseln bleiben.

Grandi: Die griechische Regierung will in den kommenden Monaten 20 000 Asylbewerber aufs Festland bringen, um die Zustände zu verbessern. Anders geht es nicht. Die Kinder werden zuerst von den Inseln gebracht. Kurzfristig ist das die beste Lösung.

SPIEGEL: Die griechische Regierung hat zudem angekündigt, geschlossene Lager zu bauen. Was halten Sie davon?

Grandi: Von außergewöhnlichen Situationen abgesehen, sind wir gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden, auch wenn sie in vielen Ländern der Welt Routine ist. Wir müssen nun abwarten, wie die Pläne umgesetzt werden.

SPIEGEL: Wie lange werden Ihre Mitarbeiter in der Ägäis bleiben?

Grandi: 2015 glaubten wir, dass wir nur kurz und ausnahmsweise in Griechenland aktiv werden müssten. Es ist überhaupt das erste Mal, dass das UNHCR eine große Operation in der Europäischen Union organisiert hat, was zeigt, dass es in Europa eine humanitäre Krise gibt. Aber ich habe Premierminister Kyriakos Mitsotakis gesagt, dass wir Griechenlands eigene Kapazitäten ausbauen sollten. Unsere knappen Ressourcen werden in Afrika, Asien und dem Nahen Osten gebraucht.

SPIEGEL: Die EU bezahlt die libysche Küstenwache dafür, dass sie Flüchtende auf dem Meer abfängt. Viele enden in Inhaftierungslagern unter schrecklichen Bedingungen. Halten Sie das für legitim?

Grandi: Menschen in den eigenen Territorialgewässern abzufangen ist nicht illegal. Die Europäer können libysche Institutionen stärken, wenn sie das für richtig halten. Aber ich habe mit dem Ansatz zwei Probleme: Erstens wurde neben der Küstenwache keine andere Institution im Land gestärkt. Und so landen Migranten und Flüchtlinge in Inhaftierungslagern, sobald sie an Land gebracht werden. Zweitens hat die EU ihre eigenen Rettungskapazitäten reduziert, und einige Politiker haben zudem die zivilen Retter kritisiert, die eingesprungen sind. Es wurde sogar so dargestellt, als würden wegen der NGOs noch mehr Menschen fliehen, obwohl das statistisch nicht belegt ist. Das ist eine Schande.

SPIEGEL: Wie ist die Situation in den Inhaftierungslagern?

Grandi: Das sind schreckliche Orte. Allerdings nimmt die Zahl der Menschen, die in den offiziellen, uns bekannten Lagern gefangen sind, zum ersten Mal ab. Das Problem ist, dass in Libyen selbst außerhalb der Lager die Situation für Migranten sehr gefährlich ist. Draußen tobt der Krieg, vor allem subsaharische Migranten werden gekidnappt und ausgenutzt.

SPIEGEL: Im Internet kursiert ein UNHCR-Dokument, in dem steht, dass in einem Flüchtlingslager in Tripolis einige Migranten bald kein Essen mehr bekommen werden. Dem UNHCR wird vorgeworfen, diese Menschen aushungern zu wollen, um sie aus der überfüllten Einrichtung zu vertreiben.

Grandi: Auch Migranten oder Flüchtlinge, die das Zentrum verlassen, bekommen von uns weiterhin Hilfe, auch in Form von Geld. Ich verstehe die Frustration dieser Menschen, wirklich. Das Dilemma, mit dem wir in Libyen konfrontiert sind, ist ein wiederkehrendes Element unserer Arbeit: Entweder wir bleiben und leben mit den Schwierigkeiten vor Ort und mit den moralischen Herausforderungen. Dann können wir ein paar Menschen retten und ausfliegen. Oder wir entscheiden, dass wir keine Kompromisse machen, und verlassen das Land. Die Situation ist ohne Zweifel eine der schwierigsten, in denen wir uns seit Jahren befunden haben.

SPIEGEL: Sie sind beinahe täglich mit Leid und Elend konfrontiert. Wie hat Ihre Arbeit Ihren eigenen Blick auf die Welt verändert?

Grandi: Ich schaue besorgter auf die Welt als noch vor ein paar Jahren. Aber ich bin nicht naiv. Wenn ich glaubte, dass wir nichts mehr tun könnten, würde ich diesen Job nicht mehr machen. Ich denke, dass uns noch Zeit bleibt, um Lösungen zu finden, die nicht aus Zäunen und Mauern bestehen. Aber viel Zeit haben wir nicht mehr.

Fluchtursachen: Warum Menschen fliehen

Nie zuvor waren so viele Menschen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Aber warum fliehen Menschen? Was sind die Gründe für Flucht und Migration?

Über 68,5 Millionen Menschen sind es laut UNHCR, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung auf der Flucht sind. Nicht mitgezählt werden dabei jene, die aufgrund ökologischer Krisen, Armut, Ausbeutung und Chancenlosigkeit gezwungen sind, zu migrieren. Das Dossier gibt einen Überblick über Fluchtursachen und Zahlen und macht diese an Beispielen deutlich.

Dossier von medico international

De la fête multiculturelle vers l’événement interculturel

Groupe d’échange et de soutien en matière d’intégration au niveau local (GRESIL)
« De la fête multiculturelle vers l’événement interculturel – Comment renforcer le vivre ensemble par des manifestations locales? »
4ème séance d’information du GRESIL le 27 novembre 2019

La 4ème séance d’information du Groupe d’échange et de soutien en matière d’intégration au niveau local (GRESIL) s’est tenue en date du 27 novembre dans les locaux de l’Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration. Né du fort intérêt et besoin des communes luxembourgeoises à travailler en réseau sur les thèmes qui concernent l’intégration et le vivre ensemble, le GRESIL permet de mettre en réseau les acteurs, de valoriser et d’échanger sur des bonnes pratiques et de soutenir la mise en place de mesures en matière d’intégration locale, dont notamment l’élaboration de plans communaux d’intégration (PCI).

Au cours de la matinée, des représentants communaux, responsables politiques, agents communaux et membres des commissions consultatives communales d’intégration se sont réunis pour échanger autour du thème « De la fête multiculturelle vers l’événement interculturel – Comment renforcer le vivre ensemble par des manifestations locales? ». Au total, 92 participants ont été présents, représentant 43 communes. S’y rajoutent des représentants de 3 régions LEADER qui regroupent en tout une trentaine de communes ainsi que des représentants de trois ministères et de certaines associations qui travaillent en faveur de l’intégration.

La séance a été ouverte par M. Jacques BROSIUS, représentant du Ministère de la Famille, de l’Intégration et à la Grande Région, M. Emile EICHER, président du SYVICOL, et Mme Laura ZUCCOLI, présidente de l’ASTI.

En s’inspirant de la méthode de la Zukunftswerkstatt, les participants ont ensuite pu échanger, en quatre ateliers parallèles, sur le rôle des fêtes dans le contexte d’une politique communale d’intégration proactive. Ils ont également pu analyser les éléments de réussite afin de transformer un événement interculturel en interactions durables. Les participants ont ainsi partagé leurs initiatives, succès, mais aussi leurs expériences moins positives et frustrations afin d’élaborer ensemble des recettes réalisables. Les propositions les plus pertinentes retenues par chacun des 4 groupes ont été brièvement présentées en plénière à la fin du GRESIL.

L’ASTI, le SYVICOL, le Ministère de la Famille, de l’Intégration et à la Grande Région et l’OLAI souhaitent remercier toutes les personnes présentes pour leur participation active à cette plate-forme d’échange et de rencontre. Forts de leur succès, les organisateurs vont continuer à proposer des séances GRESIL pour permettre aux communes d’être informées et d’échanger sur des thèmes liés à l’intégration au niveau local.

 

Communiqué par : Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration (OLAI) / Syndicat des villes et communes luxembourgeoises (SYVICOL) / Association de soutien aux travailleurs immigrés (ASTI)

accueil de réfugiés et …. polémique!

le post facebook du 7 décembre 2019 de Jean Asselborn :

Mercredi dernier, 4 décembre, 40 bénéficiers de protection internationale sont arrivés du Niger à Luxembourg.

Pratiquement toutes ces personnes étaient emprisonnées pendant des mois ou même des années dans des camps en Libye avant d’être transférées par les services des Nations Unies au Niger.

Nous avons organisé et coordonné cette opération avec l’UNHCR (Haut-Commissariat des Nations unies pour les réfugiés) et l’OIM (Organisation internationale de la Migration).
Tous les Etats-membres de l’UE sont tenus d’y apporter leur contribution.

Jeudi dernier, j’ai visité le lieu d’accueil dans la rue de Mühlenbach, à Luxembourg-Ville. Ceci pour souhaiter la bienvenue aux femmes et hommes, mères, pères et enfants.

Ainsi notre pays donne une nouvelle chance à toutes ces personnes pour être en mesure de reconstruire une nouvelle vie et le Luxembourg montre qu’il sait épauler une petite part de misère de notre époque parfois si inhumaine

Luxemburger Wort 9 Dezember 2019

RTL radio 8 décembre 2019

Paperjam 9 décembre 2019

tageblatt 9. Dezember 2019

 

Des soins pour tous

Le 27 novembre le Dr Guillaume Steichen en sa qualité de secrétaire général de l’AMMD a reçu une délégation du Ronnen Desch composée de Sylvie Martin, Franco Barilozzi, Roby Kieffer, Serge Kollwelter et Raymond Wagener.

Les recommandations établies par un très large éventail de la société civile pour une couverture sociale universelle n’ont pas seulement rencontré un intérêt certain de la part de l’AMMD, mais pourront compter sur son appui auprès des décideurs.

Si la très large majorité des résidents est affiliée à la Sécurité Sociale, d’aucuns restent exclus. Ces populations devront trouver accès aux soins par exemple par des Permanences d’Accès aux Soins de Santé à domicilier dans les hôpitaux ou les maisons médicales. Quelques obstacles économiques pourraient être surmontés par un aménagement du tiers payant social. Le dispositif légal qui prévoit le règlement des cotisations sociales pour tous les mineurs par l’Etat gagne sans doute à être mieux connu. La question de la communication entre prestataires de santé et patients dans un Grand Duché de plus en plus multilingue mérite une attention poussée.

Le Gesondheetsdesch à venir devrait pouvoir utilement se saisir des recommandations destinées à assurer un accès aux soins pour tous et par là contribuer à la santé publique.

Finalement le secrétaire général de l’AMMD a présenté les initiatives de son association devant contribuer à une simplification et une accélération des procédures de remboursement des honoraires médicaux.

Les 40 ans de l’ASTI sont l’occasion d’alimenter la discussion autour des domaines qui sont ceux de nos activités, notamment par le biais des conférences-débat  organisées et qui font partie d’un ensemble d’activités. Il  a paru à l’ASTI fondamental d’écouter la société, de prendre le pouls du Vivre ensemble, en réalisant un sondage sur différents aspects : le sentiment d’appartenance, l’intégration et la participation politique. Le sondage a pu être réalisé seulement grâce au soutien financier de la Fondation Alphonse Weicker et de l’Oeuvre de Secours Grande-Duchesse Charlotte, institutions que l’ASTI remercie sincèrement.

Rassismus-Debatte: Ansonsten nicht mundtote Ministerin Cahen gibt sich handzahm

Corinne Cahen ist kein Kind von Traurigkeit. In der Regierung gehört die liberale Ministerin für Familie und Integration zu den freimütigsten Vertretern, äußert ihre Meinung oft unverblümt. Eigentlich lobenswerte Charakterzüge, würde sich die Ex-Geschäftsfrau dadurch nicht manchmal auch in Schwierigkeiten bringen.

Als Journalistin ist es Cahen gewohnt, den Finger in die Wunde zu legen. Zwischen 1995 und 2004 war sie in unterschiedlichen Funktionen für RTL tätig, zuvor hatte sie in Frankreich auch die Nachrichtenagentur AFP mit Informationen gefüttert. Auch persönlich ist Cahen „vun der Long op d’Zong“: Sie begibt sich gerne auf Tuchfühlung zu ihrem Publikum, lauscht den Sorgen ihrer Gegenüber, zögert aber auch nicht, potenziellen Wählern Paroli zu bieten.

Mehrmals schon hat diese Impulsivität den unpolitischsten aller Regierungsvertreter in heiße Gewässer gebracht. Zuletzt noch im Rahmen der Bauarbeiten im Bahnhofsviertel der Hauptstadt: In einer E-Mail an die „Union commerciale de la Ville de Luxembourg“ (UCVL) hatte die Inhaberin von Chaussures Léon im April 2019 die vermeintliche Passivität des Einzelhandelsverbandes angesichts der Bauarbeiten kritisiert. Das Problem: Sie hatte das Schreiben mit ihrer offiziellen Regierungsadresse gesendet und als Ministerin unterzeichnet.

Vorwürfe, sie habe sich eines Interessenkonflikts schuldig gemacht, ließen nicht lange auf sich warten. Die Argumentation, sie habe sich als ehemalige UCVL-Präsidentin generell für den Einzelhandel einsetzen wollen, ließen ihre Gegner nicht durchgehen. Es folgten Forderungen nach Ermittlungen durch den Ethikrat, denen Cahen allerdings zuvorkam: Sie selbst bat Premier Xavier Bettel um Einberufung des Rates … und bewies damit wieder die Raffinesse einer politischen Quereinsteigerin, die bei den Wahlen 2013 auf Anhieb den Sprung in die Regierung schaffte.

Im besagten Wahlkampf war Cahen vor allem in den sozialen Medien mit Zusammenfassungen aufgefallen, in denen sie das Tagesgeschehen kritisch unter die Lupe nahm. Ministerehren taten ihrer spitzen Feder zunächst keinen Abbruch, vor allem wenn Themen unter Beschuss gerieten, die ihr am Herzen lagen. Inzwischen aber hat sie Wasser in den digitalen Wein gegossen, weshalb die Funkstille des Integrationsministeriums in der aktuellen Rassismus-Debatte umso mehr auffällt.

Als Jüdin ist Corinne Cahen selbst Mitglied einer Gemeinschaft, der Verfolgung nicht fremd ist. Ihr demnach Ignoranz vorzuwerfen, ist obsolet. Auf die vermeintliche Diskriminierung im Lande angesprochen, greift die ansonsten nicht mundtote Ministerin allerdings auf eine politische Antwort zurück: „Jedes Prozent ist ein Prozent zu viel.“ Natürlich kann sie dem Land kein Rassismus-Problem bescheinigen. Schließlich würde sie damit die Kampagnen ihres Ministeriums untergraben. Etwas mehr Unverblümtheit aber könnte im Kampf gegen Diskriminierung nicht schaden.

tageblatt 29.11.2019

Ministerin Corinne Cahen im t- interview

Integration kann laut Ministerin Corinne Cahen zwar vom Ministerium unterstützt werden, doch die Umsetzung muss an Ort und Stelle in den Gemeinden, Schulen und Vereinen erfolgen.

„Jedes Prozent ist ein Prozent zu viel“: Integrationsministerin Cahen über Rassismus-Vorwürfe in Luxemburg
Eigentlich stammt die Studie der EU-Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2018. Die Resultate von „Being Black in Europe“ aber schlagen auch heute noch hohe Wellen. Der Erhebung zufolge wurde in Luxemburg jeder zweite Mitbürger schwarzer Hautfarbe in den letzten fünf Jahren rassistisch beleidigt. Mehr noch: Knapp 70 Prozent fühlten sich aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt. Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) will sich von den Zahlen nicht beirren lassen: Ihr Auftrag sei es, die Diskriminierung mit allen Mitteln zu bekämpfen. Jede einzelne rassistische Bemerkung sei eine Bemerkung zu viel.

Von Eric Hamus, tageblatt 28.11.2019

Tageblatt: Frau Ministerin, hat Luxemburg ein Rassismus-Problem?

Corinne Cahen: Ich hoffe nicht! Die Hälfte der Einwohner sind keine Luxemburger, in der Hauptstadt sind es sogar 73 Prozent. Also würde ich doch schwer hoffen, dass wir kein Problem mit Rassismus haben. Allerdings handelt es sich dabei um ein Phänomen, das mit allen Mitteln zu bekämpfen ist. Es liegt an uns allen, uns gegenseitig kennenzulernen und zusammenzuwachsen, aber auch zu verhindern, dass verschiedene Nationalitäten unter sich bleiben. Es fängt an in der Schule, setzt sich im Betrieb fort und gilt auch für das Zusammensein im Verein oder beim Ausüben eines Hobbys.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat die EU-Agentur für Grundrechte dem Großherzogtum in Sachen Rassismus und Diskriminierung ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Fast 70 Prozent fühlen sich in Luxemburg wegen ihrer Hautfarbe benachteiligt, jeder Zweite wurde laut der Studie „Being Black in Europe“ rassistisch beleidigt. Waren Sie sich der Ausmaße des Problems bewusst?

Jede rassistische Bemerkung ist eine Bemerkung zu viel. Wenn auch nur eine Person sich diskriminiert fühlt, ist das bereits ein Grund, aktiv zu werden. Deshalb versuchen wir ständig, die Integration voranzutreiben, zusammen mit unseren Partnern auf lokaler Ebene. Im Rahmen unseres nationalen Aktionsplans gehen regelmäßig neue, interessante Projekte bei uns ein. Ich denke zum Beispiel an eine Initiative der ASTI („Association de soutien aux travailleurs immigrés“, Anm. d. Red.) zur Schaffung von Begegnungsstätten in den Ortschaften, an eine Integration via Sport mit dem Projekt „Sports Unified“ oder positive Integrationsbotschaften in Wartesälen. Wir arbeiten auch an Initiativen, die ganz spezifisch Menschen ansprechen, die aus anderen Kulturkreisen nach Luxemburg kommen. Wir unterstützen diese Vorschläge, auch finanziell, doch die Umsetzung muss in den Gemeinden erfolgen. Integration erfolgt nicht im Ministerium, sondern an Ort und Stelle, in den Gemeinden, Schulen und Vereinen.

Luxemburg gibt sich gerne offen und tolerant, schmückt sich mit dem hohen Ausländeranteil und dem ganzen Multikulti. Kann es sein, dass das Problem etwas unterschätzt wurde?

Das glaube ich nicht. Schließlich wird das Thema doch immer wieder vorgebracht, zum Beispiel auch im letzten Wahlkampf. Wir beschäftigen uns doch regelmäßig mit dem Stellenwert unserer Sprache, mit der Frage unserer Identität. Eine deutsche Familienministerin hat mir mal erklärt, was unsere Nachbarn unter „Deutsche mit Migrationshintergrund“ verstehen: Wenn mindestens ein Großelternteil nicht aus Deutschland stammt. So betrachtet gibt es bei uns dann kaum noch Luxemburger ohne Migrationshintergrund. Und genau das ist Teil unserer Identität. Man kann Ihre Frage auch anders stellen: Gehört es nicht aber bereits zu unserem Alltag? Ich bin eher der Meinung, dass das Thema in Luxemburg mehr als anderswo zur Sprache kommt. Leider gibt es kein Geheimrezept gegen Diskriminierung. Es bedarf vielmehr ständiger Arbeit.

Apropos Geheimrezept: Was halten Sie von einer entsprechenden Quote für Vorstände und andere entscheidende Gremien?
Wenn man Quoten für Mitbürger mit afrikanischen Wurzeln einführt, muss man sie auch für andere Menschen einführen. Diskriminierung richtet sich nicht nur gegen Hautfarbe, sondern auch gegen Behinderung, sexuelle Orientierung oder den Glauben, um nur diese zu nennen. Außerdem ist es auch ein subjektives Gefühl: Habe ich den Posten nicht bekommen, weil ich Jüdin bin oder weil ich nicht die nötigen Kompetenzen habe? Also ist es auch unsere Pflicht, dieses subjektive Gefühl der Diskriminierung zu eliminieren. Und das erreichen wir nur, indem wir eine offene Gesellschaft schaffen, in der sich alle Menschen gegenseitig akzeptieren, so wie sie sind.

Ein Ansatz, der immer wieder genannt wird, ist das „Empowerment“. Sehen Sie auch in dieser Hinsicht Möglichkeiten?

Wir müssen alle bei uns selbst anfangen. Ich denke beispielsweise an die Parteien, die während der letzten Legislaturperiode das Prinzip eingeführt haben, dass 40 Prozent der Plätze auf den Wahllisten Vertretern des sogenannten „sexe sous-représenté“ vorbehalten sind. Es reicht aber nicht, jemanden einfach nur auf eine Liste zu setzen, um im Nachhinein ein Kästchen ankreuzen und einen Punkt auf der Liste abhaken zu können. Das bringt doch nichts! Wir müssen den Menschen die nötige Kraft geben, sich aufzusetzen und die Kompetenzen zu entwickeln, um auch wirklich gewählt zu werden. Natürlich ist die Kandidatur auf einer Liste – um bei diesem Beispiel zu bleiben – ein erster Schritt. Doch ist es nicht das Ziel an sich. Das haben wir erst mit einer Gesellschaft erreicht, in der alle Menschen vertreten sind. In der auch jeder das Gefühl hat, zu Hause zu sein.

Was wären denn noch Integrationsprojekte, die künftig anstehen?

Leider sind unsere finanziellen Mittel etwas eingeschränkt. Mit dem Finanzministerium haben wir aber eine große Studie ausgehandelt, die sich auf objektive Zahlen stützen soll. Wie bereits erwähnt, ist Integration ein subjektives Gefühl. Wir brauchen aber auch objektive Daten, um der Frage „Was ist Integration und wie wird sie erlebt?“ auf den Grund zu gehen. Dann liegt mir aber auch die Charta der Diversität am Herzen. Wir wissen heute, dass Unternehmen, die sich der Charta verpflichten, weitaus erfolgreicher sind als andere. Die Atmosphäre im Betrieb ist besser, die Menschen gehen gerne ihrer Arbeit nach, was sich natürlich auch auf die Ergebnisse auswirkt. Und dann haben wir einen neuen Aufruf für Projekte im Rahmen des nationalen Aktionsplans „Integration“ gestartet. Diese müssen von den Partnern kommen und in den Gemeinden umgesetzt werden.

Laut der Studie „Being Black in Europe“ fühlen sich 53 Prozent der Schwarzen in Luxemburg rassistisch angegriffen. Einer Studie des „Observatoire des discriminations“ aus dem Jahr 2015 spricht hingegen von nur 3 Prozent. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?

Als Ministerin habe ich es mir abgewöhnt, Zahlen zu kommentieren oder zu interpretieren. Beide Resultate müssen akzeptiert werden, ob nun 3 oder 53 Prozent. Auch 3 Prozent sind zu hoch. Jedes Prozent ist ein Prozent zu viel! Wir müssen agieren, anstatt die Studien infrage zu stellen. Mir steht es nicht zu, diese Zahlen zu kommentieren. Sondern meine Aufgabe ist es, zusammen mit unseren Partnern die Diskriminierung mit allen Mitteln zu bekämpfen.