Asylpolitik: Mangelnde Voraussicht

Die Bilanz der Luxemburger Asylpolitik fällt nicht gut aus: Überlastete Strukturen und strengere Aufnahmebedingungen führen zu Missständen. Die sind zwar bekannt, werden jedoch ignoriert oder gar verschlimmert.

Das Interesse der CSV-DP Regierung für eine menschliche und langfristige Unterbringung von Asylsuchenden ebenso wie für den Bau von erschwinglichem Wohnraum ist bisher niedrig – trotz einer steigenden Prekarität, die die Regierung selbst verschärft. (Copyright: Wikimedia Commons CC 2.0 / Alexandre PrevoT)

Innenminister Léon Gloden (CSV) und Familienminister Max Hahn (DP) stellten am vergangenen Montag die Zahlen zur Asylpolitik des letzten Jahres vor. Verglichen mit 2023 sank die Zahl der Asylbewerber*innen auf 2.018. Dagegen stiegen die Ablehnungen im Jahr 2024 um 26 Prozent auf 502, die Rückführungen sogar um 56 Prozent. Was die Zahlen andeuten und in der Pressekonferenz mit Parolen wie „Mit Herz und Verstand“ überspielt wurde: Luxemburgs Asylpolitik ist strenger geworden.

Das beste Beispiel dafür sind wohl die im Jahre 2022 begonnenen und in den letzten Monaten systematisch zunehmenden Rauswürfe aus den überlasteten Unterkünften des Office national de l’accueil (ONA) – teils bei Nachttemperaturen unter Null. Das im gleichen Winter, in dem der Zugang in die Notunterkunft „Wanteraktioun“ begrenzt worden ist – eine weitere von Hahns Ministerium verantwortete Maßnahme. Betroffen waren nicht nur Familien mit Kleinkindern und Einzelpersonen, deren Asylantrag abgelehnt wurde: Auch Asylbewerber*innen, die schon arbeiten oder zur Schule gehen, jedoch noch auf eine Antwort auf ihren Antrag warten, und Flüchtlinge mit Bleiberecht, haben die Unterkünfte verlassen müssen.

Die Überlastung der Strukturen, die im Grunde als Übergangslösung gedacht sind und deren Belegungsrate aktuell bei 97 Prozent liegt, darf keine faule Ausrede sein. Die hohe Auslastung ist nicht neu und den eigentlichen Ursachen – einer gescheiterten Planung und einem mangelnden erschwinglichen Wohnraum  – laufen Politiker*innen seit Jahren hinterher.

Den eigentlichen Ursachen – einer gescheiterten Planung und einem mangelnden er- schwinglichen Wohnraum – laufen Politiker*innen seit Jahren hinterher.

Statt für pragmatische Lösungen zu sorgen, verschärft die aktuelle Regierung die Lage. Der restriktivere Zugang zu ONA-Strukturen, den der ehemalige Immigrationsminister Jean Asselborn (LSAP) eingeführt hatte, wurde nicht gelockert: Noch immer kann man erst auf eine Unterkunft hoffen, wenn man einen Antrag bei der nur wochentags und bis Mittag geöffneten Direction de l’immigration gestellt hat – alleinstehende Männer landen übrigens gleich auf einer Warteliste. Eine von der Zivilgesellschaft geforderte und im Koalitionsvertrag versprochene Härtefallkommission lässt weiterhin auf sich warten. Dies überrascht nicht, denn weder CSV noch DP haben ein Interesse an einer Verbesserung der Asylaufnahme. So stimmten auch beide Parteien am 22. Januar gegen eine von Meris Sehovic (déi Gréng) eingeführte Motion, jegliche Rauswürfe aus den ONA-Strukturen zu suspendieren. Es spricht Bände, dass sowohl Gloden als auch Hahn bei der Debatte in der Chamber mit Abwesenheit glänzten.

Die Politik wälzt das Wohnungsproblem auf Flüchtlinge und Asylbe- werber*innen ab: Das Ausziehen aus einer Struktur in eine private Wohnung sei deren Verantwortung. Dies, obwohl jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass Flüchtlinge ohne Unterstützung nur selten aus den ONA-Strukturen kommen und Ausländer*innen bei der Wohnungssuche in Luxemburg diskriminiert werden. Zudem hatte die Menschenrechtskommission schon vor Monaten vor der sich verschärfenden Prekarität und finanziellen Abhängigkeit der in Unterkünften lebenden Personen gewarnt (woxx 1805). Und all das, obwohl die derzeitige Durchschnittsmiete 50 Prozent des Bruttomindestlohns beträgt, im Jahr 2023 nur etwas mehr als 400 soziale Wohnungen bereitgestellt wurden, lediglich 2,6 Prozent aller Wohnungen in Luxemburg-Stadt erschwinglich sind, und sowohl die Wohnungskrise als auch Wohnungsräumungen zunehmend auch „Normalverdiener*innen“ treffen (woxx 1821).

Die Folge ist die Obdachlosigkeit und Prekarität einer steigenden Anzahl von Menschen. Angesichts einer mangelnden landesweiten Strategie für erschwinglichen Wohnraum, springen oft kleine NGOs und Privatpersonen ein, um Menschen unterzubringen. Strukturelle Lösungen wie das Schaffen sozialer und alternativer Wohnformen, eine nationale Leerstandsteuer und eine stärkere Unterstützung von Flüchtlingen und Asylbewerber*innen sind jedoch Maßnahmen, die der Staat ergreifen muss. Dieser sozialen Verantwortung wird die Regierung jedoch aktuell nicht gerecht – die Verschärfung der Asyl- und Aufnahmepolitik ist ein Warnsignal dafür.