CSV/DP: Schluss mit Jean Asselborns „Show-off“-Asylpolitik

„Mit Herz und Verstand“

Die Minister Léon Gloden als auch Max Hahn beteuern, eine „Asylpolitik mit Herz und Verstand“ zu betreiben – und rechnen dabei mit ihrem Vorgänger ab.

Innenminister Léon Gloden (l.) und Familienminister Max Hahn präsentierten am Montag die Asylstatistiken des Jahres 2024.  Foto: Anouk Antony

Seit Jean Asselborn nicht mehr im Amt ist, soll Schluss sein mit der Angeberei. „Unter uns gibt es keine ‚Show-off‘-Politik mehr“, teilte Léon Gloden (CSV) gegen seinen Vorgänger in Sachen Immigration aus.

Jean Asselborn sei nicht der einzige Politiker, der sich für Geflüchtete starkgemacht und etliche regularisiert habe. Unter Gloden habe es davon 100 in einem Jahr gegeben. Das wolle er aber nicht „an die große Glocke hängen“, sagt der Innenminister. „Als Jean Asselborn eine Regularisierung bekannt gab, versammelte sich hingegen die Presse scharenweise um ihn.“ Bei ihm solle das anders sein.

Gleichwohl will Gloden den Vorwurf einiger NGO-Vertreter nicht auf sich sitzen lassen, die CSV/DP-Regierung agiere in der Asylpolitik „herzlos“. Er stehe für eine „Asylpolitik mit Herz und Verstand“, beteuert der Innenminister. Schließlich würden Menschenleben von Asylentscheidungen abhängen. Was ihn von seinem Vorgänger unterscheidet: „Asylanträge werden alle gleich und chronologisch behandelt. Niemand wird bevorzugt, bloß weil er den Minister kennt.“

Léon Gloden (l.) und Max Hahn (2.v.l.) mit ihrem Vorgänger Jean Asselborn (2.v.r.) bei seiner Amtsübergabe 2023.  Foto: Anouk Antony / LW-Archiv

So kam es im Jahr 2024 zu 1.018 positiven Asylentscheidungen, ein nur leichter Anstieg von sechs Prozent im Vergleich zum Jahr 2023. Das bedeutet: 67 Prozent aller Asylanträge wurden voriges Jahr angenommen. Die Zahl der abgelehnten Anträge ist dagegen gestiegen, von 402 auf 502 von 2023 auf 2024.

Unter den Asylberechtigten befinden sich in erster Linie Syrer (370), Eritreer (216) und Afghanen (83). Zu den Syrern kommen zudem 205 Personen hinzu, die zwar keinen internationalen Schutzstatus erhalten haben, dafür aber subsidiären Schutz.

Unter uns gibt es keine ‚Show-off‘-Politik mehr.

Léon Gloden (CSV)
Innenminister

An der Spitze der Asylantragsteller stehen derzeit Venezolaner. 115 von ihnen haben 2024 einen Asylantrag gestellt. Fast immer wurden diese jedoch abgelehnt, erklärte Gloden. Menschen aus dem südamerikanischen Land würden aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa flüchten. Für kurzfristige Aufenthalte in der EU könnten sie ohne Visum nach Luxemburg gelangen. Wirtschaftliche Gründe seien aber kein Asylgrund, so Gloden. Venezuela sei ein sicheres Land. „Wir werden genauer hinschauen, damit wir diese Menschen in ihr Herkunftsland zurückführen.“

Gloden: Maison de retour ist Leuchtturmprojekt der Regierung

Auf der jährlichen Pressekonferenz zu den Asylstatistiken vom Vorjahr hob Gloden zudem zwei schwarz-blaue Prestigeprojekte seiner Regierungszeit hervor. Eines davon ist die Beschäftigung von Asylbewerbern. Diese haben sechs Monate nach Einbringung ihres Asylantrags die Möglichkeit, eine temporäre Arbeitsgenehmigung in Anspruch zu nehmen. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, diese Frist in Zukunft herabzusetzen. Integration funktioniere am besten über Arbeit, sagte Gloden.

Die Autorisation d‘occupation temporaire (AOT) wurde in der Vergangenheit wenig genutzt, weil sie zu bürokratisch und unsicher für die Arbeitnehmer sei, wie die Zivilgesellschaft seit Jahren kritisiert. Befanden sich im Jahr 2022 noch 70 Geflüchtete in einem solchen Arbeitsverhältnis, so waren es 2023 139 Menschen und 2024 dann 371, ein Plus von 167 Prozent.

Daneben steht die Maison de retour, deren Ankündigung im Oktober 2024 für viele überraschend kam. Das Projekt wurde von der Vorgängerregierung begonnen, jedoch nie in die Tat umgesetzt. Dort sollen Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, ihre Rückkehr in ihr Herkunftsland planen. Sie erhalten finanzielle und organisatorische Unterstützung.

Laut dem ONA sind rund 7.300 Geflüchtete in 73 staatlichen Aufnahmestrukturen untergekommen.  Foto: DPA

In der Maison de retour, die sich in der SHUK in Kirchberg installiert hat, können bis zu 170 Menschen unterkommen. Bisher sei die Struktur immer von rund 50 bis 70 Menschen besetzt worden. Laut der Regierung hat sich das Projekt bezahlt gemacht. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer ist im Vergleich zum Vorjahr um 86 Prozent gestiegen. 2024 waren es 308.

ONA gerät bei Flüchtlingsaufnahme weiter an seine Grenzen

Die Pressekonferenz zu den Asylstatistiken war außerdem die Gelegenheit für den zuständigen Minister für die Aufnahme von Flüchtlingen, Max Hahn (DP), seine Bilanz zu verteidigen. Schließlich ist hauptsächlich er ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, nachdem der Fall einer Mutter aus Venezuela bekannt wurde, die mit ihrem Kind vom nationalen Aufnahmeamt ONA beinahe auf die Straße gesetzt worden wäre.

„Ich stehe für eine Politik des Machbaren. Luxemburg kann nicht das auffangen, was andere EU-Länder nicht machen“, verteidigte er sich. Das Großherzogtum sei mit seinen insgesamt 8.205 Betten weitaus solidarischer als seine Nachbarn.

Würden die Niederlande so viele Betten pro Einwohner wie Luxemburg zur Verfügung stellen, müsste das Land seine aktuell 62.400 Plätze verdreifachen, Spanien mit 19.700 Betten sogar mit dem Faktor 29 multiplizieren. Zwischen 2012 und 2024 hat Luxemburg die Zahl seiner Betten für Geflüchtete verdoppelt.

Gloden (l.) und Hahn wollen eine Asylpolitik „mit Herz und Verstand“ – sind zuletzt aber in die Kritik geraten, weil sie laut Vertretern der Zivilgesellschaft eine „herzlose Asylpolitik“ verfolgen.  Foto: Anouk Antony

Trotzdem sind die Aufnahmestrukturen in Luxemburg zum Bersten gefüllt. Selbst, wenn die Anzahl der Personen, die jährlich in den Strukturen vom Nationalen Aufnahmeamt ONA Zugang erhalten, seit 2022 stark gesunken ist. In dem Jahr waren rund 7.200 Menschen hinzugekommen, 2023 dann rund 3.800 und 2024 nur noch 2.790. Es ist aber so, dass mehr Menschen hinzukommen, als Asylberechtigte- oder -bewerber ONA-Strukturen verlassen. Die Unterkünfte sind bis zu 97 Prozent belegt.

Das liegt unter anderem daran, dass aufgrund der Wohnungskrise im Land Asylberechtigte keine eigene Wohnung finden. Sie verharren also weiter in Aufnahmestrukturen. Über das vergangene Jahr waren es insgesamt rund 2.500 Asylberechtigte, sogenannte Bénéficiaires de protection internationale (BPI).

Keine verpflichtende Aufnahmequote für Gemeinden geplant

Seit Beginn seiner Amtszeit ist Minister Max Hahn „mit dem Pilgerstab“ durch das Land unterwegs. Mehrere Unterkünfte für Asylsuchende seien nur temporär an das ONA vermietete Anlagen, die nach einiger Zeit wieder an ihre Besitzer zurückgegeben werden. Bis zu 400 Plätze für Geflüchtete könnte das ONA dieses Jahr dadurch verlieren gehen, sollte es zu keinen Verlängerungen der Mietverträge kommen.

Das werden wir als Luxemburg allein nicht schaffen. Es braucht eine Lösung auf EU-Ebene.

Max Hahn (DP)
Minister für die Aufnahme von Flüchtlingen

Trotz der Not pocht Hahn darauf, dass die Regierung nicht plant, feste Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen quer durchs Land einzuführen. „Ich weiß nicht einmal, wie das umsetzbar wäre“, meint Hahn, wiederholte jedoch seinen Appell an die über 60 Gemeinden, die sich bisher nicht an der Aufnahme von Geflüchteten beteiligt hätten. „Wir benötigen Flächen von rund zehn Ar, um modulare Bauten aufzustellen, in denen wir bis zu zehn Menschen unterbringen können.“

Aktuell verfügt das ONA über 73 Strukturen, in denen rund 7.300 Menschen mit 87 verschiedenen Nationalitäten untergekommen sind. Die Zahl werde in den nächsten Jahren kaum schrumpfen, befürchtet Hahn. „Das werden wir als Luxemburg allein nicht schaffen. Es braucht eine Lösung auf EU-Ebene.“