CSV sollte zu humanitärer Asylpolitik stehen

Leitartikel Luxemburger Wort 2. April 2024

POLITIK / MICHAEL MERTEN

E s waren zwar zurückhaltende Äußerungen zur Asylpolitik, die der neue CSV-Präsident Luc Frieden tätigte. Dennoch sorgten sie verständlicherweise für harsche Kritik aus Oppositionskreisen. Im großen Interview mit dem „Luxemburger Wort“ tastete sich der Regierungs- und Parteichef an das Thema heran. Offenbar im Bemühen, weder der kritischen Luxemburger Öffentlichkeit noch den deutlich konservativeren Partnern in der Europäischen Volkspartei (EVP) auf die Füße zu treten.

Frieden war Anfang März beim EVP-Parteitag im rumänischen Bukarest dabei, als das Manifest für die Europawahlen verabschiedet wurde. Nun argumentiert er, angesichts der „sehr stark wachsenden Anzahl von Asylanträgen“ in einigen Ländern stelle sich die Frage, „ob einige dieser Asylanträge nicht auch in den direkten Nachbarstaaten dieser EU-Staaten behandelt werden können“. Hoch diplomatisch ergänzte Frieden: „Die CSV sieht das nuancierter.“

Gleichwohl äußerten Vertreter von Déi Gréng und LSAP harsche Kritik. Frieden selbst argumentiert: „Die mediale Darstellung des EVP-Wahlprogramms entspricht nicht ganz dem Inhalt des Wahlprogramms.“

Doch ein detaillierter Blick auf die Forderungen dieses Manifests bestätigt den Rechtsruck der EVP-Parteienfamilie. Dort ist ein klares Bekenntnis zu einem restriktiveren Asylrecht enthalten, das konkret vorsieht, vermeintlich sichere Drittstaaten zu erklären, in die Asylbewerber abgeschoben werden können und wo sie dann ihr Verfahren durchlaufen sollen. Dass derartige Pläne jeglichen Integrationsplänen der Betroffenen zuwiderlaufen, davon ist in dem Papier keine Rede.

Dies verwundert nicht, denn in dem gesamten Wahlprogramm stehen nicht etwa die in Europa ankommenden Schutzbedürftigen im Mittelpunkt, sondern es geht vor allem um den Schutz der Grenzen. Wer aber schützt jene Verzweifelten, die tagtäglich ihr Leben beim Versuch einer Überfahrt nach Europa riskieren? Das EVP-Manifest fordert etwa eine deutliche Aufstockung der Mitarbeiterzahl von Frontex, der EU-eigenen Grenzschutzbehörde. Mit keinem Wort erwähnt sie die skandalöse Praktik der Pushbacks von Flüchtlingsbooten, die aufs Meer zurückgedrängt statt gerettet werden.

Aus Angst vor den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten geht es der EVP vor allem darum, illegale Einwanderung zu verhindern. Dabei hat sie einen Punkt, denn der Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach geordneter Migration ist verständlich. Doch das darf nicht in einer herzlosen Law- and Order-Politik ausarten, wo Schutzbedürftige zum Spielball der großen Politik werden.

Im aufziehenden Europawahlkampf hat Friedens CSV nun Gelegenheit, klare Positionen zu beziehen – und ihre vage angedeutete „nuanciertere“ Position konkreter zu erklären. Das Bekenntnis zu einer humanitären Flüchtlingspolitik, wie sie Luxemburg über Jahre betrieben hat, wäre für eine Partei, die das C im Namen führt, eine solche Nuance.

Kontakt: michael.merten@wort.lu