Die Falle

avec l’annonce du débat de consultation à la Chambre des Députés le 15 mars 2018 . Document établi par le Ministère de la Famille

Die Falle,

Edito von MARC SCHLAMMES, Luxemburger Wort 10. März 2018

„Die politische Konkurrenz ist gut beraten, diesen Gegner ernst zu nehmen – und seine Themen.“

Es wächst zusammen, was zusammengehört: In Anbetracht ihrer Portfolios darf es nicht verwundern, dass ADR und „Wee 2050“ den Weg hin zu den Wahlen im Oktober gemeinsam gehen. Einen Weg, an dessen Ziel die Reformpartei ihren Fraktionsstatus zurückerobern will. Wobei ein Blick in den Rückspiegel verrät, dass eins und eins noch lange nicht zwei macht; das 2008 zwischen ADR und „Association des hommes du Luxembourg“ beschlossene Bündnis scheiterte ein Jahr später ziemlich kläglich an den Wahlurnen.

Einen weiteren Blick in den Rückspiegel, auf das Referendum 2015, dürften ADR und „Wee 2050“ dahingehend deuten, dass ihre Allianz im Oktober Früchte trägt – vertraten vor drei Jahren doch rund 80 Prozent der Wähler die gleiche Meinung wie die nun zustande gekommene Zweckgemeinschaft. Jedoch, und das liegt in der Natur eines Referendums, das Resultat mag auch bloß ein deftiger Denkzettel für Blau-Rot-Grün gewesen sein.

Wie auch immer, die Frage der Identität und der Integration, die in der Verklärung des Luxemburgischen gipfelt, ist das eine Thema, mit dem das Bündnis die Wähler ködert. Das andere Thema ist das – unkontrollierte – Wachstum. Nur zwei Themen? Für die politische Konkurrenz wäre es fatal, „Wee 2050“ mit dem Argument zu unterschätzen, dass man mit zwei Punkten beim Wähler nicht punkten kann. Gerade die ADR-Vergangenheit lehrt, dass diese ihre eigentliche Hochzeit erlebte, als sie mit der Rentengerechtigkeit als Ein-Punkt-Partei auf dem politischen Parkett unterwegs war. Und dass gerade die Sprache mit ihren vielen Facetten die Bürger bewegt, sollte im politischen Milieu spätestens seit der Petition 698, die rund 15 000 Bürger mobilisierte, angekommen sein.

Die politische Konkurrenz ist gut beraten, diesen Gegner ernst zu nehmen. Es reicht nicht, ihn an den rechten Rand zu (d)rücken und als braune Kopie jener Rattenfänger zu diskreditieren, die sich quer durch Europa bei Wahlen etabliert haben. Diese Taktik läuft beim „Wee“-Initiator, der sich salonfähig und souverän darzustellen weiß, ins Leere.

Ernst nehmen sollten die etablierten Parteien vor allem das Zwei-Punkte-Programm und ihren Bürgern gangbare Pisten aufzeichnen, wo sie jetzt auf alternative Wege gelockt werden, die in die Sackgasse führen. Es besteht jedoch erheblicher Nachholbedarf, wurde doch das Miteinander zwischen Luxemburgern und Ausländern seit dem denkwürdigen 7. Juni 2015 kaum noch thematisiert – in einem Land mit 48 Prozent ausländischen Mitbürgern und werktäglich 180 000 Pendlern. Erst nächste Woche wird am Krautmarkt über eine Neuauflage des nationalen Integrationsplans debattiert – nach vier Jahren politischem Stillstand.

Die Wachstumsfrage ihrerseits droht für die anderen Parteien zur Wachstumsfalle zu werden. „Wee 2050“ – und ADR – besetzen ein Feld, das ihnen die Regierung mit der 2016 losgetretenen Diskussion um das qualitative Wachstum bereitet hat – aber bis dato vergessen hat zu bestellen. Abgesehen von der inhaltliche Leere steht das politische Establishment vor einem argumentativen Dilemma: Die Begleiterscheinungen einer – unkontrollierten – Wachstumslogik, Beispiel Grenzgängerzustrom, je nach parteipolitischer Couleur als nicht nachhaltig beziehungsweise als populistisch zu interpretieren, entspricht einem Spagat, der für die Wähler nicht nachvollziehbar ist.

Noch spricht der Faktor Zeit für die ADR- und „Wee“-Kontrahenten. Ihnen verbleiben sieben Monate, um das argumentative Dilemma zu lösen und die inhaltliche Leere zu füllen. Falls nicht, könnte es am 14. Oktober ein böses Erwachen geben.

marc.schlammes@wort.lu