Die Positionen der ADR: Ja zu Remigration, nein zu Menschenrechten

Mit Hitlergruß und Reichsbürger-Logos wird sich die ADR im EU-Parlament wohl eher zurückhalten. 
Doch mit welchen Positionen wird sie Luxemburg künftig in Brüssel vertreten?

2014 lautete der EU-Wahlslogan der „Alternativ Demokratesch Reformpartei“ (ADR) noch „Manner Europa – méi Lëtzebuerg“, zehn Jahre später tritt sie mit der leicht abgewandelten Variante „Fir e staarkt Lëtzebuerg an Europa“ an. Als antieuropäisch bezeichnet sie sich aber nach wie vor nicht. Letzten Endes ist es unerheblich, wie sich die 1987 gegründete, ehemalige „Rentnerpartei“ definiert: Was in ihrem EU-Wahlprogramm steht, spricht Bände. Dort genau hinzuschauen, ist gerade deshalb so wichtig, weil Fernand Kartheiser, der die ADR bald im EU-Parlament vertreten wird, in den vergangenen Wochen nicht müde wurde, die zum Teil menschenverachtenden Positionen seiner Partei zu relativieren.

Die Partei mittlerweile bekannt dafür, Vertreter*innen in die Abgeordnetenkammer zu schicken, die postfaschistischem Gedankengut nahestehen. Tom Weidig etwa hat auf Facebook die NS-Besatzung Luxemburgs verharmlost, die Rassentheorie verteidigt und mit Politiker*innen der rechtsextremen „Alternative für Deutschland“ (AFD) sympathisiert. Er hat zudem ein – mittlerweile gelöschtes – Foto veröffentlicht, auf dem er vor der Abbildung eines Hakenkreuzes in einer Ausstellung den Arm ausstreckt. Dan Hardy, der Kartheiser ab Juli in der Abgeordnetenkammer ablösen wird, nutzte seinerseits kurzzeitig auf dem Kurznachrichtendienst Whatsapp ein Reichsbürger-Logo als Profilfoto. Dem Parteipräsidenten Fred Keup ist das eigenen Aussagen nach alles „Wurscht“. Auch die Verbindungen der ADR zu der fundamentalkatholischen und rechtsextremen französischen Partei Civitas redet er klein. Wer sich das Wahlprogramm der ADR durchgelesen hat, weiß, dass die Partei weitaus rechter ist, als sie sich oft gibt.

Die ADR will das Europaparlament schwächen und gedenkt dies fortan von innen heraus zu tun. Sie tritt dafür ein, dass die EU weniger Einfluss haben soll, vor allem gegenüber EU-Richtlinien ist sie kritisch. So müsse es Staaten erlaubt sein, sich gegen die Umsetzung einer EU-Richtlinie zu entscheiden, ohne dafür sanktioniert zu werden. Die Rechtspopulist*innen fordern zudem, bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie nicht über die explizit vorgeschriebenen Maßnahmen hinauszugehen. „Déi ganz Direktiv, awer nëmmen d’Direktiv“, fasst die Partei diese Haltung zusammen.

Übliche Lieblingsthemen

Im Wahlprogramm der ADR sind die typisch rechtsradikalen Kampfbegriffe vorzufinden. So warnt sie etwa vor „ideologischem Wokismus“, „Cancel Culture“ sowie der „radikalen Ideologie“ des „Gender-Gaga“. Sowohl „Wokismus“ als auch „Cancel Culture“ sind für die Partei Ausdruck von Intoleranz und Totalitarismus.

Obwohl die Rechtspopulist*innen im Programm ihre Ansichten zu diesen Lieblingsthemen nicht näher ausführen, lässt der Blick auf ihre bisherige parlamentarische Arbeit eine Einordnung zu. Mit „Wokismus“ meint die Partei jede Kritik an den Werten, die die ADR vertritt. Im Gegensatz zur Verwendung der rechtspopulistischen Partei wird der Begriff „woke“ gemeinhin allerdings nicht pejorativ verwendet. Vielmehr handelt es sich um eine von Schwarzen Aktivist*innen aus den USA geprägte, neutrale Beschreibung: Wer „woke“ ist, ist für verschiedene Diskriminierungsformen sensibilisiert und setzt sich, egal ob online oder analog, für die Rechte marginalisierter Bevölkerungsgruppen ein.

Hinter der Bezeichnung „Gender-Gaga“ (woxx 1485) wiederum verbirgt sich einerseits die Kritik an der Tatsache, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt: „D’Promotioun vun der Gender-Ideologie (no där d’Geschlecht vum Mënsch e reng „soziaalt Konstrukt” wier, an dat onofhängeg vun der Biologie) duerch europäesch Institutioune gëtt ënnerbonnen“, schreibt die ADR hierzu. Andererseits wehrt sich die rechtspopulistische Partei aber auch gegen jegliche Maßnahme, die spezifisch die Rechte von Mädchen, Frauen oder anderen marginalisierten Geschlechtern fördert. So ist die ADR etwa für die Abschaffung des „European Institute for Gender Equality“. An anderer Stelle heißt es, die ADR werde „mat Sécherheet net [matdroen]“ in europäischen Rechtsakten die Formulierung „Gläichheet tëscht Mann a Fra” durch „Gender-Gläichheet” zu ersetzen. Der eher harmlos wirkende Neologismus „Gender-Gaga“ steht also für eine sowohl intersex- und transfeindliche als auch antifeministische Ideologie.

Dass der Kampf gegen „Hate Speech“ verstärkt werden soll, ist der ADR ein Dorn im Auge. „De Projet ass net nëmmen en direkten Ugrëff op d’Meenungsfräiheet, mee och duerch an duerch ideologesch.“ Was die ADR zu befürchten scheint, ist, dass sie künftig für einige ihrer Kerneinstellungen gerichtlich belangt werden könnte. „Domat soll warscheinlech all Kritik u muslimesche Migranten oder un där illegaler Immigratioun aus islamesche Staate strofbar gemaach ginn“, so die Angst der rechtspopulistischen Partei. „D’ADR steet fir e Strofrecht, dat kloer a prezis ass, Faite bestrooft amplaz Meenungen oder Gefiller a kee Spillraum fir politesch Repressioun bitt“, so eine weitere Aussage im Programm.

Auch vom Konzept des „Hassverbrechens“ hält die ADR nichts. „De sougenannten „hate crime” déngt de facto dozou, fir all Méiglechkeet un net erwënschter Kritik ze ënnerbannen […]“. Besonders im Kontext „hoch ideologisierter Bereiche“ wie der Immigration, der Integration, der Kriminalität, in puncto Gender und bei LGBTQIA-Forderungen befürchtet sie eine eingeschränkte Meinungsfreiheit. Das Konzept des „Hassverbrechens“, schreibt die ADR weiter, missbrauche Justiz und Strafrecht, um die politische Agenda linker und grüner Parteien über den Weg der Repression durchzusetzen.

In der Klimapolitik hat sie eine widersprüchliche Haltung, wie die woxx bereits vor einigen Wochen analysierte (woxx 1787). Zwar will sie Energietransition und Dekarbonisierung fördern, kritisiert aber zugleich Maßnahmen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken: Die EU-Bestrebungen zur Klimaneutralität bis 2050 könnten sowieso nicht erreicht werden und wenn doch, hätten sie „keinen messbaren Einfluss“ auf das Weltklima. Im Vergleich zu anderen rechtspopulistischen Parteien wie etwa der AFD ist die diesbezügliche Position der ADR noch fast moderat.

Migration verunmöglichen

„Staaten, déi effektiv déi illegal Immigratioun verhënneren, sollen dobäi ënnerstëtzt ginn. Dat gëllt och fir de Bau vu Grenzinfrastrukturen, ewéi z.B. Maueren. Fest Infrastrukturen un de Grenze musse kënne vun der EU matfinanzéiert ginn.“ Bei diesem Satz handelt es sich nicht etwa um die Übersetzung einer Aussage von Giorgia Meloni oder Victor Orbán: Die Forderung ist dem Wahlprogramm der ADR entnommen. Tatsächlich kann die ADR in keinem Kapitel mit den Positionen von Rechtsaußen-Parteien derart mithalten wie bei der Migration.

Gleich in den ersten Sätzen des entsprechenden Kapitels wird versucht, potenziellen Kritiker*innen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die ADR, so heißt es dort, befürworte eine „humane Asylpolitik“: „D’Dignitéit vun all Mënsch muss allzäit respektéiert ginn. Si [d’ADR] ass prinzipiell ëmmer bereet, fir Leit ze hëllefen, déi verfollegt ginn.“

Der Rest des entsprechenden Kapitels liest sich allerdings anders. Dass sich die Forderungen der ADR in manchen Punkten nicht von denen der EU-Kommission unterscheidet, liegt weniger daran, dass die Positionen der ADR moderat sind, als daran, dass die EU-Politiken – der im April verabschiedete Migrations- und Asylpaket ist das beste Beispiel dafür – immer rechter werden (woxx 1740). Den „Asylpakt“ bezeichnet die ADR als „vernünftigen Schritt“. Kein Wunder: Vor Krieg und Misere flüchtende Menschen von einer Einreise in die EU abzuschrecken sowie möglichst schnelle Abschiebeverfahren sind auch Hauptziele der Asylpolitik, die der ADR vorschwebt. Ganz offen schreibt sie das zwar nicht, ihre Wortwahl ist jedoch deutlich.

„Irreguläre Migration“, wie sie nach behördlicher Sprachregelung genannt wird, beziehungsweise „illegale Migration“, wie die ADR sie nennt, solle gänzlich unterbunden werden. Für jemanden, der sich mit dem Thema nicht auskennt, mag dies auf den ersten Blick nach Common Sense klingen. Fakt ist aber: Zurzeit existiert für Personen aus Drittstaaten keine Möglichkeit, legal in die EU einzureisen, es sei denn, ihnen wurde bereits im Vorfeld ein Visum genehmigt. Nur: Diese Möglichkeit stellt sich für Betroffene meist gar nicht; eine möglichst schnelle Flucht wird nachvollziehbarerweise gegenüber zeitaufwändigen administrativen Prozeduren bevorzugt.

Von der Einführung humanitärer Visen, wie sie in Luxemburg etwa von „Déi Lénk“ und Volt gefordert werden, ist im Programm der ADR jedoch wenig überraschend keine Rede. Diese Maßnahme würde es ermöglichen, legal in ein Land einzureisen und anschließend vor Ort erst ein Visum anzufragen. Was die ADR also de facto fordert, ist, dass Menschen in einer akuten Notlage gar nicht erst flüchten oder aber von einer Grenzschutzbehörde umgehend wieder zurückgeschickt werden. Letzteren Punkt betreffend redet sie gar nicht erst um den heißen Brei herum: „Leit, déi mat Hëllef vu Schleiser iwwer d’Mëttelmier kommen, sollen net däerfen an der EU bleiwen. Esou gëtt dëse geféierlechen an illegale Wee zougemaach“, heißt es etwa im Wahlprogramm. In einem solchen Fall, solle also gar nicht erst überprüft werden, ob ein Anrecht auf Asyl bestehe.

Um „illegale Migration“ zu unterbinden, spricht sich die ADR für verstärkte, ohne viel Aufwand durchführbare Grenzkontrollen aus und stellt nebenbei das Prinzip der offenen Grenzen in Frage. „Och Grenzkontrollen iwwer méi laang Perioden, mat Beamte wéi och mat elektronesche Mëttelen, an iwwer méi grouss Grenzofschnëtter, musse liicht duerchzeféiere sinn, ouni si awer doduerch nees zu enger stänneger Reegel ze maachen oder ze verallgemengeren.“

Doch selbst wenn es um die reguläre Migration geht, schlägt die ADR Maßnahmen vor, die man als vieles, aber sicherlich nicht als „human“ bezeichnen kann. So spricht sie sich etwa für „gutt kontrolléiert Méiglechkeete vun enger legaler Immigratioun vu Persounen, déi eiser Ekonomie, wichtegen Déngschtleeschtungssecteuren oder der Wëssenschaft a Fuerschung kënne Virdeeler bréngen“ aus. Selbst bei diesem Punkt legt die ADR ein flagrantes Desinteresse an der Lebensrealität der Betroffenen an den Tag. Die eben beschriebene Arbeitsmigration solle nämlich nur für Menschen aus „entwickelten Ländern“ möglich sein. „Mir kënnen z.B. indesch Spezialiste rekrutéieren, awer mir sollen net Länner ewéi Somalia nach déi puer Dokteren ewechhuelen, déi si hunn.“ In anderen Worten: Somalische Ärzt*innen, die vor dem Krieg flüchten, müsse ein Asylantrag verwehrt werden, mit dem alleinigen Argument, dass ihre Dienste in ihrem Herkunftsland gebraucht würden. Die ADR spricht sich also de facto gegen jede Form von Migration aus einem Land aus, das etwa von Krieg oder Hungersnot betroffen ist: Ohne Visum darf man nicht in die EU einreisen, ein Arbeitsvisum soll man jedoch nur dann erhalten dürfen, wenn die Lohnarbeit des*der Betroffenen nicht im Herkunftsland gebraucht wird.

Wer erstmal als Flüchtling anerkannt wurde, soll, so die ADR, eine möglichst geringe finanzielle und soziale Unterstützung erhalten. Letztere stellten einen unnötigen „Pull-Faktor“ dar, „also en Argument, dat besonnesch vill Leit éischter op Lëtzebuerg bréngt ewéi an aner Länner“. Hier gedenke die ADR, Anpassungen vorzunehmen.

Ebenso unmenschlich mutet eine weitere Forderung der ADR an: „E Migrant mat Schutzstatus, deen a säin Hierkonftsland zeréckgeet – an d’Vakanz oder aus iergend engem anere Grond – beweist doduerch, datt hie kenger Gefor méi ausgesat ass, a verléiert direkt esouwuel säi Schutzstatus ewéi och säin Openthaltsrecht.“ Was die ADR hiermit aussagt: Flüchtlinge haben kein Anrecht darauf, die in ihrem Herkunftsland zurückgebliebenen Familienmitglieder oder Freund*innen jemals wiederzusehen. Immerhin ist es nicht so, als ob letztere ihnen einen Besuch abstatten könnten.

Für die ADR stellt der Flüchtlingsstatus etwas dar, das Betroffenen jederzeit entzogen werden kann. Sobald die „Bedingungen es erlaubten“, sollten diese wieder in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. „En internationale Schutzstatus däerf net mat enger dauerhafter Immigratioun verwiesselt ginn.“ Dieser Punkt ist übrigens auch der AFD in ihrem EU-Wahlprogramm sehr wichtig. Sie benutzt dafür die Bezeichnung „Remigration“.

Bei den ebenfalls erstarkten anderen Rechtsaußen-Parteien im Europaparlament wird die ADR mühelos Anschluss finden. Dort mitmischen zu dürfen, wird die ADR in ihren menschenverachtenden Positionen wohl nur noch befeuern.