Diese Pflichten will die Regierung Asylbewerbern auferlegen
Wer aktuell in den Flüchtlingsstrukturen auf seinen Asylbescheid wartet, könnte von der neuen Regierung künftig zur Kasse gebeten werden.
Der Formateur höchstpersönlich hat es gewollt. Die Zuständigkeit für Migration und Aufnahme von Asylsuchenden wurde zwei separaten Ressorts zugeteilt: Léon Gloden (CSV) für Migration und Max Hahn (DP) für die Aufnahmepolitik. Beide erben zu Beginn ihrer Amtszeit überfüllte Aufnahmestrukturen. Somit ist es kaum verwunderlich, dass es sich die neue Regierung zur Aufgabe macht, den Strukturen wieder mehr Luft zu geben.
Beginnend bei den Asylprozeduren. Diese sollen „so kurz wie möglich gehalten werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Bedeutet aber nicht, dass Automatismen bei der Verleihung eines Asylbescheids entstehen sollen, heißt es weiter. Der Satz bietet Raum für Interpretation. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Geflüchteter im Grunde ein Mensch, der individuell Opfer von Verfolgung in seinem Heimatstaat wird. Die aktuelle Formulierung im Koalitionsvertrag könnte indirekt zu verstehen geben, dass Geflüchtete aus gezielten Herkunftsländern nicht aufgrund allgemeiner politischer Krisenlagen automatisch aufgenommen werden sollen
.Asylberechtigte zahlen Miete an ONA
Schnellere Verfahren, keine Automatismen – davon erhofft sich CSV-DP weniger Stau in den Aufnahmestrukturen. Das gilt auch im Umgang mit Flüchtlingen, die einen positiven Asylentscheid erhalten haben (BPI). „Die Regierung wird darüber wachen, dass Asylberechtigte die Aufnahmestrukturen schnell verlassen“, heißt es im Kapital Migration weiter. Das könnte für Asylberechtigte finanzielle Einbußen bedeuten. Denn wer über einen Asylstatus verfügt und weiterhin in den Strukturen des Nationalen Aufnahmeamts (ONA) verweilt, soll einen Teil des ihm zustehenden Revis (Sozialhilfe) verlieren. Dieser Betrag gilt dann als Miete für den Verbleib in einer staatlichen Struktur.
Asylberechtigte in den Aufnahmestrukturen, die ebenso einer Beschäftigung nachgehen, sollen von ihrem Gehalt eine Miete an das ONA überweisen. Die Neuerung ist hierbei der leichtere Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber (DPI). Zuvor mussten sie erst sechs Monate warten. Wurde nach der Zeit kein Asylbescheid erteilt, konnten DPI über eine Beschäftigungserlaubnis (AOT) einer Arbeit nachgehen. Das AOT war jedoch bürokratisch aufwendig für Arbeitgeber und für die DPI mit viel Unsicherheit verbunden, weswegen es nur selten beansprucht wurde. Integration soll folglich durch die berufliche Aktivierung von Asylbewerbern befeuert werden, ergänzt durch die Einführung verpflichtender Sprach- und Zusammenleben-Kurse.
Werden alle Gemeinden verpflichtend Flüchtlinge aufnehmen müssen?
Die Regierung zielt mit den finanziellen Einbußen darauf ab, dass Asylberechtigte schneller die Strukturen des ONA verlassen. Dass Asylberechtigte vor allem aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in den Strukturen bleiben, wird in dem Kapitel ausgeblendet. Stattdessen gedenkt die Regierung Privathaushalten, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen, finanziell unter die Arme zu greifen. Während Asylberechtigte zudem keine Wohnung auf dem privaten Markt finden, soll anderswo im Land mehr Platz für Asylbewerber (DPI) entstehen. Bedeutet: Gemeinden werden stärker in die Verantwortung genommen. Ob ein verpflichtender Verteilschlüssel auf dem Plan steht, ist im Text nicht ersichtlich.
In Sachen Migration zeichnet sich eine selektivere Aufnahmepolitik ab. Die freiwillige Ausreise von Asylbewerbern könnte über die Schaffung einer „Maison de retour“ gefördert und die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ von Flüchtlingen könnte zudem regelmäßiger auf den neuesten Stand gebracht werden. Auf europäischer Ebene wirbt die neue Regierung für eine solidarische Reform von Dublin III, einen gerechten Verteilschlüssel für Flüchtlinge in Europa und einen stärkeren Schutz an den EU-Außengrenzen