Concert Heemecht + Interview Serge Tonnar

Am Freitag, dem 8. November, ab 19 Uhr im Atelier: D’Cojellico’s Jangen (20 Uhr), De Läb (21 Uhr), Serge Tonnar & Legotrip (22 Uhr). Tickets zu 30 und 15 Euro (ermäßigt)

Luxemburger Wort 6. November 2019

„Heemecht ist kein Ort, sondern ein Gefühl“

Serge Tonnar über beunruhigende Politmonitor-Resultate und sein soziales Engagement fernab der Bühne

Interview: Vesna Andonovic

Der Name ist Programm – gleich doppelt und dreifach: Nationalbarde Serge Tonnar lädt gemeinsam mit den D’Cojellico’s Jangen und De Läb am Freitag zum „Fest vun der Heemecht“ und verrät vorab warum er die Volkssorge ums Lëtzebuergescht nicht versteht, sein soziales Engagement nicht an die große Glocke hängt und dennoch möchte, dass so viele Zuschauer wie möglich zum Konzert ins Atelier kommen.

Serge Tonnar, was ist Heemecht?

Heemecht ist kein Ort, sondern ein Gefühl. Sie ist dort, wo du lebst, deine Familie und Freunde sind. Heemecht kann also mit dir reisen, wenn du irgendwohin aufbrichst: weil sie ein Gefühl ist, kannst du sie an andere Orte mitnehmen. Heemecht ist ein Ankerplatz, ein Hafen, in dem du dich – hoffentlich! – wohlfühlst.

Beim letzten Politmonitor zeigten sich 45 Prozent der Befragten besorgt um den Verlust der Luxemburger Sprache. Eine verständliche Angst?

Ich kann sie überhaupt nicht nachvollziehen, denn alle Studien zeigen das genaue Gegenteil: Noch nie wurde so viel Luxemburgisch gesprochen, geschrieben, gelesen und gelernt wie heutzutage. Ich nehme aber an, dass es das Resultat der Panikmache ist, die da am rechten Rand betrieben wird. Dort wird behauptet, unsere Sprache sei unsere Identität und diese sei in Gefahr. Dabei ist das komplett irrational. Es macht mich traurig, dass 45 Prozent der Menschen das glauben.

Für Sie müsste diese Sprachbegeisterung eine gute Nachricht sein, schließlich könnte man den Prozentsatz – laut Nationalregister der natürlichen Personen am 1. Januar 2019 – in 145 080 verkaufte Alben umrechnen, nicht?

(lacht) Das wäre nicht schlecht, wenn es denn so wäre …

D’Cojellico’s Jangen, De Läb und Sie singen auf Luxemburgisch. Sind sie damit eine Randgruppe?

Das war einmal, ist aber nicht mehr so. Als ich anfing „op Lëtzebuergesch“ Musik zu machen, sagten viele ich würde mein Publikum damit einschränken; doch genau das Gegenteil war der Fall: Ich habe seitdem meine Zuhörerschaft mindestens verzehnfacht.

Wie kann das sein?

Damals gab es nicht viel „op Lëtzebuergesch“, heute ist das ganz anders – besonders im Hip-Hop-Bereich. Und es sind nicht nur Luxemburger, die Musik auf Luxemburgisch zu hören: Ich bekomme von vielen ausländischen Zuhörern Feedback, die sich freuen, die Sprache, die sie lernen, so auch hören können. Manche meiner Liedtexte werden sogar in Sprachkursen aufgearbeitet … Um also auf Ihre letzte Frage zu antworten: Wir sind sicher keine Randgruppe. Ich glaube, das hiesige Publikum ist froh, Künstler in ihrer Muttersprache zu hören, deren Texte nicht erst vom Kopf analysiert werden müssen, sondern geradewegs ins Herz gehen.

Kurz zurück zum Politmonitor – was denken Sie über die 36 Prozent, die Zuwanderung als großes Sorgenthema betrachten …

Im Vergleich zu den 45 Prozent, die sich ums Luxemburgische Sorgen machen, sind das ja recht wenige … Es gibt hierzulande ja praktisch keine „Zuwanderung“ – ein Wort, das sich ohnehin anhört, als ob massiv Menschen „hierherwandern“ würden. Betrachtet man die internationale Situation und die Tatsache, dass die Politik wenig Lösungen bereithält und populistische Kräfte die Angst anheizen, sind diese Art Sorgen jedoch auch verständlich. Vor allem, wenn mit Emotionen gespielt und die Gefahr des Identitätsverlustes aufgebaut wird.

Haben wir Luxemburger das Glück, dass es uns so, oder wie manche behaupten, zu gut geht – ansonsten auch das Großherzogtum einen richtigen Rechtsruck erleben könnte, wie zuletzt mit der AfD in Thüringen verzeichnet?

Diese Art Politik und Panikmache hat recht wenig Erfolg in Luxemburg, was meiner Meinung nach jedoch sehr schnell umschlagen könnte, wenn es hierzulande auch Personen gäbe, die das Charisma mancher französischer oder deutscher Rechtsextremer hätten. Gäbe es so jemanden und er würde sich gut verkaufen, hätte er auch in Luxemburg mehr Erfolg als dies aktuell der Fall ist. Und trotzdem riskieren wir bald jemanden wie Fred Keup in der Abgeordnetenkammer zu haben … Das ist für mich ein Alarmzeichen, bei dem ich mich frage, ob es nicht an der Zeit wäre, sich politisch zu engagieren, um solchen Menschen „de Bass halen ze goen“ …

Serge Tonnar for Premier?

Naja, bislang habe ich mich immer rausgehalten. Wenn ich allerdings solche Sachen sehe, stelle ich mir tatsächlich die Frage, ob es nicht Pflicht wäre, sich stärker politisch zu engagieren …

Sie engagieren sich bereits gesellschaftlich mit Ihrer Vereinigung „Mir wëllen iech ons Heemecht weisen“ und bleiben hierbei eher diskret. Wie und warum kam es dazu?

2015 habe ich als Privatmann ehrenamtlich in einem Flüchtlingsheim geholfen – und habe feststellen müssen, dass dies gar nicht so einfach ist. Denn obwohl überall Mangel bestand, galt es erst, eine ganze Reihe Hürden zu überwinden, um sich überhaupt erst engagieren zu können. Zu Beginn habe ich Möbel hin und her gerückt und Säle vorbereitet. Schnell fiel mir auf, dass überhaupt keine Aktivitäten für diese Menschen vorgesehen waren. Da sie nicht arbeiten durften, hatten sie auch fast keinen Kontakt zur Luxemburger Bevölkerung – und umgekehrt ebenso. Also habe ich mir überlegt, wie ich mit meinen Kompetenzen daran etwas ändern könnte. Wir haben mit kleinen Konzerten angefangen, die sehr gut ankamen, und daraufhin die Vereinigung gegründet.

Mit welchem konkreten Ziel?

Dem, über den Weg der Kultur Luxemburger und Flüchtlinge zusammenzubringen. Denn dieser Kontakt hebelt viele der zuvor thematisierten Ängste aus.

Wie sieht Ihre Arbeit heute aus?

Zu den anfänglichen Konzerten sind gemeinsame Feste und „sorties culturelles“, Workshops oder Kochateliers … hinzugekommen.

Ist der Name Serge Tonnar da hilfreich?

Nun, ich benutze ihn, um Türen zu öffnen, stecke meine Energie aber lieber in die Arbeit, als damit Reklame zu machen.

Und das Resultat Ihrer Arbeit?

Das sind u. a. diese magischen Momente der Entspannung und des kulturellen Genusses, die freudigen Gesichter, der Kontakt und der Austausch, die entstehen.

„Kultur. Konscht. Zesummen.“, so Ihr Motto: Wie kann so etwas Eigenes wie Kultur Brücken bauen?

Die Form, Sprache oder Ausdrucksweise sind vielleicht eigen, doch die Themen, die die Kultur behandelt, und die Gefühle, die sie vermittelt, sind universell. Sie spricht uns nicht nur intellektuell sondern vor allem emotio- nal an und bringen uns so zu- sammen.

Welchen Hintergrund hat dann das „Fest vun der Heemecht“?

Es ist ein Benefizabend, bei dem es darum geht, finanzielle Mittel für unsere Arbeit zu sammeln und mit dieser doch etwas in die Öffentlichkeit zu gehen.

Am Freitag, dem 8. November, ab 19 Uhr im Atelier: D’Cojellico’s Jangen (20 Uhr), De Läb (21 Uhr), Serge Tonnar & Legotrip (22 Uhr). Tickets zu 30 und 15 Euro (ermäßigt) über

www.atelier.lu