Exil Ein Künstler, der keine Grenzen kennt:
Alborz Teymoorzadeh über Kunst, Isolation und die Suche nach Zugehörigkeit
Carole Theisen, tageblatt 5. März 2025

1. März 2025 – die Vernissage seiner eigenen Ausstellung. Ein Moment, in dem normalerweise alles zusammenkommt: Monate, Jahre der Vorbereitung, die Reflexion eines künstlerischen Prozesses, das Zusammenspiel von Raum, Licht und Werk.
Doch Alborz Teymoorzadeh, der Künstler hinter den Werken, ist an diesem Abend nicht in Wiltz. Er darf nicht da sein. Die luxemburgische Regierung hat entschieden, dass seine Kunst „keinen wirtschaftlichen Mehrwert“ bringt.
Doch hinter dieser Abwesenheit steht eine andere, viel größere Geschichte. Eine Geschichte von Zugehörigkeit und Ausschluss. Von dem, was es bedeutet, als Künstler in einer Gesellschaft zu existieren, die den Wert von Kunst in Wirtschaftlichkeit misst. Und von der Absurdität von Macht, Status und den Menschen, die an ihnen festhalten.
„Éternelles instantanéités“
„Enrico hat alles arrangiert“, sagt er. Enrico Lunghi, sein ehemaliger Architekturprofessor an der Uni und renommierter Kurator, übernahm für die Ausstellung „Éternelles instantanéités“ die Installation der Werke. „Ich habe ihm voll und ganz vertraut. Ein Kurator sollte nicht nur Werke aufhängen, er muss die Kunst verstehen, sie spüren. Enrico war der Einzige, dem ich diese Verantwortung geben konnte. Er ist zuerst Mensch. Er nimmt sich nicht übermäßig ernst. Deswegen konnte ich ihm vertrauen“, sagt der Künstler. Ein Detail mit großer Bedeutung: Es geht nicht um Hierarchien, sondern um Dialoge, um Verständnis.
Der 1. März. Ein Datum, das nicht zufällig gewählt wurde. Es ist der Geburtstag seines verstorbenen Vaters. Eine Ausstellung an diesem Tag ist keine sentimentale Geste, sondern eine bewusste Entscheidung. Sein Vater war Musiker. „Die Musik meines Vaters war für mich immer präsent“, sagt er. „Und nun ist sie es auch in dieser Ausstellung.“ Eine Referenz an Zeit und Vergänglichkeit.
Ich wollte festhalten, wie Dinge sich verändern, ohne dass sie verschwinden. Die Hände waren der Anfang. Hände sind mehr als ein Körperteil. Sie unterzeichnen Verträge, fassen an, erschaffen und zerstören.
Vier zentrale Motive durchziehen seine Arbeit: Hände, Körper, Architektur, Theater. Es geht um Bewegung, um Veränderung, um Übergänge. Die Fotoserie „Éternelles instantanéités“ ist das Ergebnis eines zwölfjährigen Prozesses. „Es begann im Militärdienst“, erzählt Teymoorzadeh. „Ich wollte festhalten, wie Dinge sich verändern, ohne dass sie verschwinden. Die Hände waren der Anfang. Hände sind mehr als ein Körperteil. Sie unterzeichnen Verträge, fassen an, erschaffen und zerstören.“
Er experimentierte mit Langzeitbelichtung, einer Technik, die nicht nur Struktur, sondern auch Beziehungen sichtbar macht. Es ist eine Methode, die zwischen Dokumentation und Abstraktion oszilliert – ein Stilmittel, das nicht nur eine Realität einfängt, sondern eine Dynamik aufzeigt, die in starren Bildern oft verloren geht. „Ein Standbild zeigt eine Struktur, ein Film zeigt eine Beziehung. Ich wollte beides in einem einzigen Bild vereinen“, erklärt der Künstler.
Dann kamen die Körper hinzu. „Ich fotografierte eine Frau, die nach dem Shooting sagte: ,Ich fühle mich, als hätte ich meine Jungfräulichkeit verloren.‘ Nacktheit bedeutet nicht nur das Fehlen von Kleidung“, sagt er. „Sie ist eine Form der Entblößung – Kleidung ist nicht nur eine physische Schicht, sie ist auch eine psychologische, eine soziale, eine kulturelle. Sie schützt, sie verhüllt. Aber wenn du sie entfernst, bleibt nichts als pure Verletzlichkeit.“

Eine kurze Heimat
2019 kam Teymoorzadeh nach Luxemburg. „Als ich damals aus dem Flugzeug stieg, hatte ich das Gefühl, nach Hause zu kommen.“ Das Klima, die Natur – es erinnerte ihn an den Norden Irans, wo er geboren wurde. Dann, fünf Jahre später, musste er gehen. Luxemburg hat entschieden, dass Alborz Teymoorzadehs Kunst keinen wirtschaftlichen Mehrwert bringt. Er selbst lacht über diese Argumentation. „Was heißt das überhaupt?“, fragt er. „Geld ist nur ein Werkzeug, um Macht in einer Gesellschaft zu verteilen. Wenn jemand den wirtschaftlichen Wert von Kunst hinterfragt, geht es nicht um Geld. Es geht um Kontrolle.“
Teymoorzadeh beschreibt Luxemburg als ein Land, das enormes Potenzial hätte, aber daran scheitert, seine Teile miteinander zu verbinden. „Die Kunstszene ist ein Mikrokosmos davon. Es gibt nicht eine Szene, sondern viele kleine, isolierte Gruppen.“
Diese Fragmentierung ist nicht nur sozial, sondern auch strukturell. „Die großen Institutionen operieren losgelöst vom Rest. Einige der großen staatlich geförderten Kulturinstitutionen haben nichts mit den Künstlern in Luxemburg zu tun. Die sitzen in ihrer eigenen Welt, hoch oben in den Wolken, fernab von dem, was Kunst hier wirklich bedeutet.“
Dazu kommt ein grundlegendes Problem: Kunst und Kultur werden in Luxemburg zwar finanziell unterstützt, aber nicht wirklich gefördert. „Die Museen sind oft leer. Du gehst in eine Ausstellung und siehst vielleicht zehn Leute.“ Vernissagen sind ein gesellschaftliches Event für eine kleine Elite, aber die breitere Öffentlichkeit bleibt fern. „Das ist kein lebendiges Kulturleben.“

Diese Leute, die über meinen Status entscheiden, haben keine Ahnung, was ein Künstler ist. Sie haben keine Expertise, keine Erfahrung, nichts. Sie bewerten Kunst mit bürokratischen Methoden …
Was es bedeutet, Künstler zu sein
Die Vorstellung vom Künstler als unstrukturierter Bohemien hält sich hartnäckig. „Die denken, ein Künstler wacht um elf Uhr auf, raucht eine Zigarette, masturbiert, trinkt Kaffee und tut sonst nichts“, sagt er trocken. Doch die Realität sieht anders aus. Ein Künstler ist nicht nur ein kreativer Kopf, sondern auch ein Handwerker, ein Unternehmer, ein Stratege, ein Kommunikationsexperte. Er muss Konzepte entwickeln, Netzwerke aufbauen, Produktion und Finanzierung managen. „Du musst Designer, Architekt, Fotograf und oft sogar Politiker sein.“
Seine Ablehnung? Keine moralische Frage. „Das war einfach ein Missverständnis. Diese Leute, die über meinen Status entscheiden, haben keine Ahnung, was ein Künstler ist. Sie haben keine Expertise, keine Erfahrung, nichts. Sie bewerten Kunst mit bürokratischen Methoden – mit Formularen, nicht mit Blick auf das Werk selbst.“
Inmitten aller Unsicherheiten gab es eine Entscheidung, die noch schwerer wog als die Frage nach Kunst oder Staat: die Beziehung zu seiner Partnerin Lénaïc Brulé. „Wir hatten sehr wenig Zeit, um zu entscheiden, ob wir unsere Beziehung fortsetzen oder nicht“, sagt er. „Und wir wollten, dass es weitergeht. Brüssel war somit die Lösung und wir sind zusammengezogen.“
Das Schweigen der Institutionen
Als die Entscheidung fiel, dass er das Land verlassen musste, gab es verschiedene Reaktionen aus der Kulturszene. Die Kufa und die Rotondes z.B. äußerten sich, sie stellten sich hinter ihn, schickten persönliche und offizielle Briefe, positionierten sich. Andere schwiegen.
Warum bleiben einige stumm, wenn es um die Verteidigung von Künstlern geht? Ist es Angst vor politischen Konsequenzen, strategisches Kalkül oder schlicht Gleichgültigkeit? So oder so wirft diese Situation eine größere Frage auf: Wer vertritt Künstler wirklich? Wer setzt sich für sie ein, wenn sie in Konflikt mit bürokratischen Mechanismen geraten? „Kunst lebt von Gemeinschaft und Solidarität. Ohne Unterstützung und klare Positionierung bleibt sie angreifbar“, sagt Teymoorzadeh.
Und was kommt für Teymoorzadeh als Nächstes? Iran? Vielleicht. Irgendwann zurück nach Luxemburg? Vielleicht. „Es geht nicht um geografische Orte“, sagt er. „Es geht um Menschen, um Gespräche, um Beziehungen.“
Er braucht keine offizielle Anerkennung. Keine Etiketten. Kein System, das ihn definiert. „Ich war nie ein Asylsuchender“, betont er. „Und ich denke, ich werde es nie sein. Viele Medien und Menschen haben das falsch verstanden. Ich habe niemals um Asyl gebeten, sondern meinen Platz als Künstler und Mensch verteidigt.“
