Gloden und Hahn stellen die Bilanz 2024 ihrer „verantwortungsvollen Asylpolitik“ vor

Migration

Migration / Gloden und Hahn stellen die Bilanz 2024 ihrer „verantwortungsvollen Asylpolitik“ vor
Aushängeschild? Die „Maison retour“, einst „Structure d’hébergement d’urgence Kirchberg“ (SHUK) Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Zahl der Asylanträge in Luxemburg ist im vergangenen Jahr um 18 Prozent zurückgegangen. Das ist eines der Ergebnisse, die Léon Gloden (CSV) und Max Hahn (DP) bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz präsentierten. Die beiden Minister beteuerten, eine Asylpolitik mit „Herz und Verstand“ zu betreiben.

Serge* versteht die Welt nicht mehr. „Ich stehe jeden Morgen um fünf Uhr früh auf und gehe zur Arbeit, um meine Ausbildung erfolgreich abzuschließen und auf eigenen Beinen zu stehen“, sagt der abgelehnte Asylbewerber aus einem westafrikanischen Land. „Meine Arbeitskraft wird hier gebraucht. Doch ich habe drei Negativbescheide erhalten. Das schmerzt.“ Der junge Mann, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte, ist verzweifelt. Denn momentan sieht er keinen Ausweg aus seiner Situation. Ähnlich geht es Victor*. Auch der Venezolaner absolviert im Großherzogtum eine Lehre. Doch auch seine Zukunft ist nach der Ablehnung seines Antrags auf internationalen Schutz (DPI) ungewiss.

Auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz: Léon Gloden, Max Hahn
Auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz: Léon Gloden, Max Hahn Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Personen aus Venezuela haben zu fast hundert Prozent keine Chance auf internationalen Schutz“, sagt Léon Gloden. Dabei steht Venezuela unter den Herkunftsländern der Menschen, die hierzulande im vergangenen Jahr einen Antrag auf internationalen Schutz stellten, mit 115 Personen auf Platz vier. Die größte Gruppe bildeten 2024 die Eritreer mit 374 Personen, gefolgt von den Syrern (307) und den Algeriern (135). In den Jahren zuvor hatten immer die Syrer die Rangliste angeführt, gefolgt von den Eritreern und den Afghanen. Was die Zahl der genehmigten Anträge angeht, liegt Syrien als Herkunftsland nach wie vor vorn (370), vor Eritrea (216) und Afghanistan (83). Ökonomische Gründe reichen nicht aus, betont Gloden.

Wohlwissend, dass der venezolanische Präsident Nicolás Maduro zu einem autokratischen Herrscher mutiert ist und das Regime in Caracas mit unerbittlicher Härte gegen Vertreter der Opposition vorgeht, behauptet Gloden, dass Menschen aus dem südamerikanischen Land aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa flüchten. Ökonomische Gründe seien jedoch kein Asylgrund und Venezuela ein sicheres Land. Zudem könnten Venezolaner für touristische Aufenthalte ohne Visum in die Europäische Union einreisen. Zu Beginn der Pressekonferenz bekräftigte der Innenminister einmal mehr, dass die Regierung seinen Worten zufolge für eine „verantwortungsvolle Asylpolitik“ stehe, wie sie im Koalitionsvertrag bereits angekündigt worden war: „Personen mit einer echten Aussicht auf internationalen Schutz müssen kurzfristig eine Antwort erhalten, damit sie sich schnell integrieren können. Diejenigen, die keine Aussicht auf einen Flüchtlingsstatus haben, müssen darüber informiert werden und so schnell wie möglich in ihr Land zurückkehren. Wir müssen vermeiden, dass bei ihnen falsche Hoffnungen geweckt werden.“

Seitenhieb gegen Asselborn

Gloden holte dabei zu einem Seitenhieb gegen den in der Vorgängerregierung für Immigration zuständigen Minister Jean Asselborn (LSAP) aus. „Unter uns gibt es keine ‚Show-off‘-Politik mehr“, sagte der CSV-Politiker und wies darauf hin, dass Asselborn nicht der Einzige gewesen sei, der regularisiert habe. Er selbst habe hundert Personen im vergangenen Jahr regularisiert, ohne dies „an die große Glocke zu hängen“. Gloden wies zudem darauf hin, dass das Großherzogtum Luxemburg bei der Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, pro Kopf im Jahr 2023 auf europäischer Ebene an fünfter Stelle stand – hinter Zypern, Österreich, Griechenland und Deutschland.

Allgemein ist die Zahl der Asylbewerber hierzulande im vergangenen Jahr von 2.446 Fällen (2023) um 18 Prozent gesunken. Insgesamt gingen 2.018 Anträge auf internationalen Schutz ein. Dabei wurde bei 1.018 Entscheidungen internationaler Schutz – Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz – gewährt (2023 waren es 956), was einen leichten Anstieg von sechs Prozent bedeutet. 502 Entscheidungen fielen negativ aus (2023: 402). Unter den positiv beschiedenen Anträgen waren 370 Syrer, 216 Eritreer und 83 Afghanen. Außerdem kommen bei den Syrern 205 Personen hinzu, die subsidiären Schutz erhielten. Einen temporären Schutz beantragten im vergangenen Jahr 907 Personen, davon 822 Ukrainer. Insgesamt waren zum Jahresende 2024 insgesamt 3.873 Menschen „bénéficiaires du statut de la protection temporaire“.

Derweil ist die Zahl vorübergehender Arbeitsgenehmigungen (AOT), die es Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, ermöglichen, während ihres Verfahrens nach sechs Monaten zu arbeiten, stark gestiegen, von 139 (2023) auf 371 (2024). Laut Koalitionsvertrag soll die Frist herabgesetzt werden. Schließlich funktioniere Integration am besten über Arbeit, so Gloden. Ein Satz, den übrigens wenige Stunden später der Westafrikaner Serge wiederholt. Allerdings droht seine AOT abzulaufen, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde.

Schwarz-blaues Doppel: die Minister Gloden und Hahn
Schwarz-blaues Doppel: die Minister Gloden und Hahn Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Zur „verantwortungsvollen Asylpolitik“, wie sie Gloden nennt, gehören Abschiebungen, auch Rückführungen genannt: 438 Personen kehrten im vergangenen Jahr in ihr Herkunftsland zurück, 56 Prozent mehr als 2023. Wer freiwillig zurückkehrt, bekomme finanzielle und organisatorische Unterstützung und wird seit September 2024 in die „Maison retour“ gebracht, eine Art Aushängeschild der CSV-DP-Regierung. Die Einrichtung wurde schon von der Vorgängerregierung geplant, jedoch nicht mehr umgesetzt. Doch dabei handelt es sich nicht wirklich um eine neue Struktur, sondern um die Umfunktionierung der Räumlichkeiten der ehemaligen „Structure d’hérbergement d’urgence Kirchberg“ (SHUK). Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer stieg im Vergleich zu 2023 um 86 Prozent auf 308. Doch die Struktur ist noch längst nicht ausgelastet. Das Land verlassen müssen auch Personen, die auf der Grundlage der Dublin-III-Verordnung in einen anderen Mitgliedstaat überstellt werden sollen, für die ein Überstellungsbeschluss vorliegt. Im vergangenen Jahr wurden 240 Menschen gemäß der Dublin-Verordnung in das jeweilige Land überstellt. Durch die „Maison retour“ soll eine gezielte soziale Betreuung im Vorfeld der Rückkehr angeboten werden.

Strukturen stark ausgelastet

Nachdem eine Mutter mit zwei kleinen Kindern vom „Office national de l’acceuil“ (ONA) fast auf die Straße gesetzt worden war, was eine Privatinitiative in letzter Minute noch verhinderte, stand die Aufnahme von Flüchtlingen, die dem Ministerium von Max Hahn unterliegt, stark in der Kritik. Mit seinen insgesamt 8.205 zur Verfügung stehenden Betten sei Luxemburg weitaus solidarischer als seine Nachbarn, verteidigte sich Hahn. Um ein ähnliches Niveau auf die Bevölkerung umgerechnet zu erreichen, müssten nach Hahns Berechnungen die Niederlande ihre Zahl verdreifachen, Belgien vervierfachen und Frankreich siebenmal so viele Betten zur Verfügung stellen wie aktuell. Der Minister erinnerte daran, dass das Netz an Unterbringungsstrukturen in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden sei, um eine angemessene Aufnahme sowie soziale Betreuung der Zielgruppen – dazu gehören Personen, die internationalen Schutz beantragt haben (DPI), vorübergehenden Schutz (BPT) erhalten – zu gewährleisten. In der Tat hat sich die Bettenzahl seit 2021, als sie noch 4.168 betrug, fast verdoppelt.

Auch wenn die Zahl der Neuankömmlinge in den ONA-Einrichtungen seit 2022 stark gesunken ist (von etwa 7.200 auf 2.790), kommen immer noch mehr Menschen hinzu, als dass sie sie verlassen. Hahn spricht von einem Nettozuwachs von 642 Personen. Nicht zuletzt hat die Logement-Krise dazu geführt, dass Unterkünfte zu 97 Prozent belegt sind. Auch wer internationalen Schutz genießt (BPI), etwa 2.500 Personen, hat wenig Aussichten, eine Wohnung zu finden. Im Jahr 2024 wurden fünf neue Unterkunftsstrukturen mit einer Gesamtkapazität von 376 Betten eröffnet werden. Zurzeit sind in den 73 Einrichtungen etwa 7.300 Menschen aus 87 verschiedenen Nationen untergebracht. Davon sind 26,4 Prozent Syrer, 20,9 Prozent Ukrainer und 19 Prozent Eritreer. Ein Drittel der Betten sei von Personen mit internationalem Schutzstatus belegt. Die meisten dieser Personen seien mehr als zwölf Monate nach Erhalt ihres Status noch im Netz des ONA untergebracht. Hahn betonte, dass weitere Anstrengungen unternommen werden, um neue Strukturen zu schaffen.

Für Serge und Victor dürfte dies kaum noch eine Bedeutung mehr haben. Beide Männer erhielten die Aufforderung, die ONA-Strukturen zu verlassen. Für den Westafrikaner und den Südamerikaner fielen die Antworten des Luxemburger Staates „hart und schmerzvoll“ aus, fasst es Serge zusammen.