Glodens Abrechnung mit Asselborns Sozialromantik
Das hat gesessen: Der Innenminister giftet gegen seinen Vorgänger – doch den Vorwurf der Herzlosigkeit in der Asylpolitik wird er damit nicht entkräften.
In der Luxemburger Asylpolitik zeichnet sich eine Kehrtwende ab. Die CSV/DP-Regierung geht auf Distanz zum Erbe Jean Asselborns. Sie beteuert neuerdings, in der Migrationsfrage „mit Herz und Verstand“ zu handeln – viel „Herz“ ist allerdings noch nicht erkennbar.
Aus den aktuellen Zahlen lässt sich kein fundamentaler Kurswechsel zur blau-rot-grünen Vorgängerregierung ablesen. 2024 wurden mit 1.018 positiven Asylentscheidungen sogar sechs Prozent mehr Menschen aufgenommen als im Vorjahr. Gleichzeitig stieg jedoch die Zahl der Ablehnungen um 26 Prozent auf 502. Auffällig ist: Die CSV/DP-Koalition drängt konsequenter auf die Ausreise abgelehnter Asylbewerber.
Kühler Pragmatismus statt väterliche Wärme
Erfreulich ist, dass mehr Geflüchtete Arbeit finden und die Regierung den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert hat. Die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Asylbewerber stieg 2024 um beeindruckende 167 Prozent. Warum nicht noch weiter gehen? Eine generelle Arbeitsmöglichkeit bereits drei Monate nach Antragstellung – ohne Einschränkungen – wäre ein sinnvoller Schritt. Der Applaus der Wirtschaftsverbände wäre der Regierung sicher.
Stilistisch grenzt sich Gloden bewusst von Asselborn ab. Statt väterlicher Wärme regiert nun kühler Pragmatismus. Während sein Vorgänger sich gerne mit Geflüchteten ablichten ließ und damit Likes auf Facebook sammelte, lehnt Gloden solche Symbolpolitik ab – obwohl er selbst im ersten Amtsjahr 100 Menschen „regularisierte“. Positiv hervorzuheben ist, dass Gloden sich nicht in eine Anti-Migrations-Rhetorik à la Friedrich Merz (CDU) verirrt. Er scheint aus dem PR-Desaster rund um das Bettelverbot zu Beginn seiner Amtszeit gelernt zu haben. Seine unbelegte Behauptung über organisierte Bettelbanden in deutschen Limousinen mit belgischen Kennzeichen war eines Ministers unwürdig.
Die neue CSV/DP-Sachlichkeit hat aber auch ihre Schattenseiten. Wenn Venezuela pauschal als sicheres Land eingestuft wird, ignoriert das die komplexe Realität in diesem autokratisch regierten Staat. Der Rücktritt der prominenten Flüchtlingshelferin Marianne Donven aus dem Staatsdienst und die Kritik von NGOs an einer „herzlosen Politik“ zeigen die wachsende Kluft zwischen Regierung und Zivilgesellschaft. Besonders die kurzen Fristen zur Räumung von Unterkünften stoßen auf Empörung.
Überfüllte Aufnahmestrukturen, Wohnungsnot und die Integration von Geflüchteten bleiben reelle Probleme, die die Regierung und Gemeinden lösen müssen. Doch eine Abkehr von humanitären Grundsätzen wäre fatal. Asylpolitik darf nicht allein der Effizienz folgen.
Kontakt: joerg.tschuertz@wort.lu