Hoffnung teilen

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POLITIK & GESELLSCHAFT /ROLAND ARENS ,

Leitartikel, Luxemburger Wort 24 DSezember 2019

Zufall ist es nicht, dass zu Weihnachten das Schicksal von Flüchtlingen und Migranten in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Man kann nicht ruhigen Gewissens das Fest des Friedens und der Liebe feiern, während im Mittelmeer Menschen ertrinken, erst recht nicht in den wohlhabenden Ländern Europas, zu denen auch Luxemburg zählt.

Zur Realität an Weihnachten im Jahr 2019 gehört die ernüchternde Feststellung, dass weltweit so viele Menschen auf der Flucht sind, wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Über 70 Millionen Menschen, 26 Millionen davon Kinder, zählt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Es sind Menschen, die nicht wegen der Aussicht auf Reichtum ihre Heimat verlassen, sondern deren letzte und einzige Hoffnung es ist, sich auf eine gefährliche Reise zu begeben, um Gewalt und Krieg zu entkommen oder die wegen Umweltzerstörung infolge von Klimawandel keine Zukunft in ihrem Land haben. Für viele Migranten ist es eine verzweifelte, herzzerreißende Entscheidung, die der haitianische Schriftsteller Louis-Philippe Dalembert in seinem Roman „Mur Méditerranée“ beschreibt. Er erzählt von einer jungen Frau aus Afrika, die an der libyschen Küste in eines der Schlauchboote steigt und in dem Moment von dem Gefühl erdrückt wird, eine Verbannte zu sein, die auf dem Weg ins Exil ist. Ohne Aussicht auf Wiederkehr.

Papst Franziskus mahnt immer wieder, dass wir nicht wegschauen dürfen, wenn Migranten in Not sind. Im päpstlichen Palast ließ er kurz vor Weihnachten ein Kreuz als Mahnmal aufstellen, in das eine leuchtend rote Rettungsweste eingearbeitet ist. Sie gehörte einem unbekannten Flüchtling, dessen Leiche nie geborgen werden konnte. Jesus sei auch für die Menschen gestorben, die im Mittelmeer ertrinken, sagte Erzbischof Jean-Claude Hollerich kürzlich in einem Videointerview des katholischen Fernsehsenders KTO.

Vieles muss noch getan werden, um die weltweiten Migrationsströme einzudämmen. Mauern und Grenzen aufzubauen, kann nicht die einzige Lösung sein. Gerade die Europäische Union hat die Pflicht und die Möglichkeiten, Migranten aufzunehmen. Sie kann mit den Herkunftsländern Lösungen entwickeln, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben. Und auch wenn in diesen Tagen das Elend der Menschen in den Lagern Libyens und auf den griechischen Inseln im Vordergrund stehen muss, so ist doch ein Perspektivwechsel geboten. Wir dürfen Migranten nicht als Bedrohung unserer europäischen Lebensweise sehen. Es sind Menschen, die wir in ihrer Würde wahrnehmen und behandeln sollen.

Christen in aller Welt gedenken an Heiligabend der Geburt von Bethlehem. Auch Jesus war ein Flüchtling. Sein Schicksal und sein Vorbild erinnern daran, dass Hilfe für Migranten zu allen Zeiten ein Gebot derNächstenliebe und der Menschlichkeit ist. Welchen Sinn hätte unsere weihnachtliche Hoffnung, wenn wir sie nicht mit allen Menschen teilten? Ein Blick in die Krippe lässt keinen Zweifel daran, wie die Antwort auf diese Frage lautet. Dort liegt ein Kleinkind mit offenen Armen.