Opposition findet Friedens Aussagen zur Asylpolitik „beschämend“
Luxemburgs Premier erteilt dem Outsourcen der Asylanträge keine kategorische Absage. Politiker von LSAP und Déi Gréng sprechen von „Doppelmoral“
POLITIK / DIEGO VELAZQUEZ Luxemburgere Wort 2. April 2024
„Nachdem Luc Frieden gerade erst den Anti-Atom-Konsens hinterfragt hat, greift er nun die Menschenrechte an“, sagt Sam Tanson, Abgeordnete in der Chamber für Déi Gréng. Die Aussagen des CSV-Premiers in einem Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ sorgen offenbar für Unmut in der Opposition.
Im Interview mit dem „Wort“, das am Samstag erschienen ist, hatte sich Luxemburgs Premier Luc Frieden (CSV) dem Vorschlag gegenüber offen gezeigt, Asylverfahren von Menschen, die eigentlich die EU betreten wollten, künftig außerhalb der Union abzuwickeln.
Der Premier plädiert in der Debatte über das Outsourcen der Asylanträge Richtung Drittstaaten für einen „nuancierten“ Ansatz.
Diese Idee, die die britischen Konservativen für ihr Land umzusetzen versuchen, fand kürzlich auch ihren Weg in das Manifest der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahlen, das bei einem Parteitag im rumänischen Bukarest Anfang März angenommen wurde.
Das Konzept ist als „Ruanda-Modell“ bekannt, da die britische Regierung eine derartige Asylpartnerschaft mit jenem afrikanischen Land anstrebt. Das Modell steht im Vereinigten Königreich allerdings unter Beschuss, nicht zuletzt wegen rechtlicher Bedenken.
CSV war noch Anfang März kategorisch dagegen
Die luxemburgische CSV ist Mitglied der EVP und war auch in Bukarest anwesend. Dort hatten sich die luxemburgischen Christdemokraten, die diesbezüglich überstimmt wurden, gegen das Ruanda-Modell ausgesprochen. „Wir sind nicht glücklich über diesen Punkt“, hatte das CSV-Chambermitglied Christophe Hansen damals dem „Luxemburger Wort“ gesagt. „Diese Maßnahme entspricht nicht der Linie der CSV in der Migrationspolitik“.
Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ scheint Luc Frieden dies allerdings weniger kategorisch zu sehen. „Die mediale Darstellung des EVP-Wahlprogramms entspricht nicht ganz dem Inhalt des Wahlprogramms“, sagt er. „Die Fragestellung war mehr: Wie gehen wir mit der in einigen Ländern sehr stark wachsenden Anzahl von Asylanträgen um? Und da stellt sich die Frage, ob einige dieser Asylanträge nicht auch in den direkten Nachbarstaaten dieser EU-Staaten behandelt werden können“, so Luc Frieden weiter. „Die CSV sieht das nuancierter.“
Sam Tanson spricht diesbezüglich von CSV-„Doppelmoral“: „Der EU-Spitzenkandidat distanziert sich von der Idee des sogenannten Ruanda-Modells, während der Premierminister das anders sieht.“ Die ehemalige Justizministerin vermutet, dass eine „bewusste“ Strategie hinter derartigen Aussagen steckt: Luc Frieden „startet Versuchsballons, um zu sehen, wie weit er sich nach rechts bewegen kann.“ Für Sam Tanson ist das von der EVP angedachte Modell in der Migrationspolitik ohnehin nicht zielführend: „Wir sind auf jeden Fall der Meinung, dass wir europäische Lösungen brauchen und unsere Verantwortung nicht einfach auf Drittländer abwälzen können.“
Fayot: „Luxemburg steht nicht mehr für Menschenrechte“
Franz Fayot, Chambermitglied und Kandidat für die LSAP bei den Europawahlen, geht weiter: „Es ist beschämend, dass Luxemburg durch diese Aussagen des Premiers mit der Ruanda-Lösung assoziiert wird.“ Entwicklungsländern die Aufnahme von Asylbewerbern gegen Bezahlung zu delegieren, sei „an Zynismus, aber auch an Dummheit, nicht zu überbieten“, sagt er. „Wir standen sonst für Menschenrechte und eine Willkommenskultur in der Migrationspolitik. Diese Zeit ist definitiv vorbei.“
In ihrem Manifest plädiert die EVP indes „für eine grundlegende Änderung des europäischen Asylrechts“. Dafür „wollen wir das Konzept sicherer Drittstaaten umsetzen“, heißt es im Positionspapier der europäischen Christdemokraten: „Wer in der EU Asyl beantragt, könnte auch in einen sicheren Drittstaat überstellt werden und sich dem Asylverfahren dort unterziehen. Bei positivem Ausgang gewährt der sichere Drittstaat dem Antragsteller Schutz vor Ort.“