Spiel mit dem Feuer

LEITARTIKEL Luxemburger Wort 1. Oktober 2018

DANI SCHUMACHER

„Mit dem Referendum war der Geist dann endgültig aus der Flasche.“

Luxemburg versteht sich gerne als Insel der Glückseligkeit. Während sich in ganz Europa, und nicht nur dort, seit geraumer Zeit ein deutlicher Rechtsruck bemerkbar macht, scheint die Bevölkerung hierzulande gegen rechtspopulistisches Gedankengut weitestgehend immun zu sein.

Doch nun ist das Thema der nationalen Identität auch auf Luxemburg übergeschwappt. Zum Glück sind wir noch sehr weit von der Radikalität entfernt, mit der die Debatte in anderen Ländern – etwa von der AfD in Deutschland oder dem Rassemblement national in Frankreich – geführt wird.

Die Diskussion ist nicht vom Himmel gefallen. Die allgemeine Verunsicherung infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise bereitete den Boden für die Rückbesinnung auf die eigene kleine Welt, auf das nationale Terrain. Es folgte die Flüchtlingswelle, die zwar von der Regierung gut gemeistert wurde, die aber dennoch bei Teilen der Bevölkerung für eine gewisse Unsicherheit sorgte.

Mit dem Referendum war der Geist dann endgültig aus der Flasche. Ohne Not hatte die Regierung 2015 eine Volksbefragung lanciert, bei dem sie die Wähler u. a. zum Ausländerwahlrecht befragte. Das Votum scheiterte kläglich, nicht zuletzt wegen der stümperhaften Vorbereitung, aber auch weil viele Wähler aufgrund der unkonventionellen Regierungsbildung noch einen tiefen Groll gegen die Dreierkoalition hegten. Es war der bis dahin unbekannte Fred Keup, der mit seiner Bewegung „Nee 2015“ den Gegnern des Ausländerwahlrechts eine eloquente Stimme verlieh.

Im Wahlkampf kocht die Identitätsdebatte nun hoch. Bislang hielt vor allem die ADR dieses Feld besetzt. Kein Wunder also, dass Keup mit seiner mittlerweile in „Wee 2050“ umbenannten Initiative nun für die Reformpartei trommelt. Rechts von der ADR gehen die Konservativen auf Stimmenfang, die als Ein-Punkt-Partei das Thema Identität mit teils unverblümter Fremdenfeindlichkeit unterfüttern.

Die Themen Identität und Sprache drängen aber auch bei den etablierten Parteien in den Vordergrund, bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Insgesamt räumen sie der Materie in ihren Wahlprogrammen einen weit größeren Raum ein, als das noch vor fünf Jahren der Fall war. Das ist ihr gutes Recht. Politische Gruppierungen müssen die Sorgen und Nöte der Bevölkerung wie ein Seismograf erkennen, und, falls nötig, die Probleme auch angehen.

In Teilen der Bevölkerung gibt es sicherlich eine allgemeine, eher vage Malaise in Bezug auf die nationale Identität. Doch die Frage drängt sich auf, ob die Themen Identität und Sprache für das Gros der Wähler überhaupt ein echtes Problem darstellen. Es besteht der Verdacht, dass die etablierten Parteien aus rein wahltaktischen Gründen auf der populistischen Welle mitschwimmen wollen, um sich die Gunst der verunsicherten Wähler zu sichern.

Es kann aber auch sein, dass mit den Appellen an das nationale Bewusstsein von den eigentlichen Missständen abgelenkt werden soll. Die markanten Sprüche wie beispielsweise der DP-Wahlslogan „Zukunft op Lëtzebuergesch“ kann man auch als Versuch deuten, die Wähler darüber hinwegzutäuschen, dass es kein schnell wirkendes Patentrezept gegen die Wohnungsnot gibt und dass es in der Mobilitätsproblematik langfristig kaum eine Lösung ohne persönliche Abstriche geben wird.

Der Flirt mit dem Populismus kann zum Spiel mit dem Feuer werden. Denn nach dem 14. Oktober müssen die Wahlversprechen eingelöst werden.

danielle.schumacher@wort.lu