Von wegen „verantwortungsvoll“

EDITORIAL Kleine Kinder auf die Straße zu setzen, passt nicht zu Luxemburg

tageblatt Armand Back, 23.Januar 2025
Marianne Donven, Gründerin der „Chiche“-Restaurants und seit Jahren stark engagiert in der Unterstützung von Flüchtlingen, ist der Kragen geplatzt. Am Dienstag machte Donven öffentlich, dass sie ihren Posten im „Conseil supérieur de la sécurité civile“ und als Staatsangestellte hinschmeißt. Ihr Grund: eine skrupellose Regierungspolitik, der jedes Mitgefühl fehlt. Das Fass zum Überlaufen brachte der Fall einer Mutter und ihrer beiden kleinen Kinder, die vom „Office national de l’accueil“ (ONA), das DP-Minister Max Hahn untersteht, mitten im Winter auf die Straße gesetzt wurden.

Jetzt weiß demnach jeder Bescheid, was unsere Regierung tatsächlich meinte, als sie über Innenminister Léon Gloden erklären ließ, eine „verantwortungsvolle Migrationspolitik“ machen zu wollen: Wir setzen kleine Kinder mit ihren Müttern im Winter vor die Tür – und dass das Luxemburger Wirklichkeit und nicht auf einen behördlichen Fehler zurückzuführen ist, bestätigt Minister Hahn gegenüber dem Tageblatt. Die Regierung steht also zu ihrem Vorgehen.
Das ist schon schlimm genug und übertüncht darüber hinaus Grundlegendes: nämlich wie es überhaupt sein kann, dass in Luxemburg Kinder (eines ist fünf Jahre alt, das andere 17 Monate) mit ihrer Mutter bei Minustemperaturen in die Obdachlosigkeit geschickt werden. Wer so einen Schritt überhaupt zu rechtfertigen oder zu argumentieren versucht, muss schon lange von allen guten Geistern verlassen sein.
Diese Episode „verantwortungsvoller Migrationspolitik“ wirft so viele weitere Fragen auf, dass einem vor den Antworten fast schon angst und bange werden muss und Zweifel aufkommen, ob diese Regierung hier überhaupt versteht, was sie tut.
Warum setzen wir Leute auf die Straße und bekämpfen gleichzeitig Obdachlosigkeit? Warum wird versucht, mit der „Maison de retour“ zu argumentieren, wenn diese Menschen gar nicht abgeschoben werden sollen und somit gar kein Anrecht auf eine Unterbringung in der „Maison de retour“ haben? Warum setzt man – denn auch das geschah schon – überhaupt jemanden auf die Straße, der eigentlich abgeschoben werden müsste und bietet ihm so die Chance, sich dieser Abschiebung zu entziehen? Werden vor allem Familien zur Abschiebung visiert, weil diese leichter auffindbar sind als zum Beispiel alleinstehende Männer, und sich somit Abschiebestatistiken frisieren lassen? Und dann: Sind diese Menschen unserer Regierung egal? Ist das Schicksal von kleinen Kindern und ihrer Mutter unserem Familienminister wurscht? Im Moment fällt es schwer, diese Fragen nicht mit „leider ja“ zu beantworten. Was zur letzten Frage überleitet: Wollen wir ein solches Luxemburg sein?
Der Luxemburger Staat überließ die betroffene Familie ihrem Schicksal, doch Privatpersonen und NGOs sprangen ein und organisierten eine Unterkunft. Noch mal Glück gehabt, immerhin.
Heescheverbuet, Angriffe auf das Arbeitsrecht, eine aus der Hüfte abgefeuerte Rentendebatte, die fragwürdige Art, wie die Caritas inklusive ihrer internationalen Verpflichtungen abgewickelt wurde, jetzt Kleinkinder auf der Straße und, gleichzeitig, kaum ein Vorankommen im Logement, dem größten Wahlkampfsujet aus dem Jahr 2023 und nach wie vor eine der vorrangigen Sorgen der Menschen in Luxemburg.
Erst Léon Gloden, dann Georges Mischo und Xavier Bettel, jetzt Max Hahn und Premier Luc Frieden immer mittendrin, statt nur dabei – die Regierung Frieden-Bettel glänzt bislang vor allem mit aktionistischem und ideologischem Beackern von Nebenschauplätzen der Unmenschlichkeit. Der angekündigte Kampf gegen Armut ist ein Kampf gegen die Armen. Deswegen noch mal die Frage: Wollen wir ein solches Luxemburg sein?