Warum einige Grenzgänger von einer Wahl ausgeschlossen wurden

Zugang zu Kommissionen verwehrt

Ein neues Gesetz sollte Grenzgängern mehr Recht auf Teilnahme an der Gesellschaft gewähren. Einige Gemeinden beschneiden diese Möglichkeit.

Nicht alle Grenzgänger können sich gleich am Zusammenleben beteiligen – das ist abhängig davon, in welcher Gemeinde sie leben.  Foto: Montage: LW

Eigentlich hätte das neue Gesetz über das interkulturelle Zusammenleben einen wahren Paradigmenwechsel einläuten sollen – doch wie es scheint, bleibt alles beim Alten. Die Grundidee hinter dem Gesetz: Die Instrumente des Zusammenlebens für Luxemburger und Grenzgänger öffnen. Unter anderem der Aufnahme- und Integrationsvertrag (CAI), ein freiwilliges Integrationsprogramm, war ausschließlich Nicht-Luxemburgern, die in Luxemburg leben, vorbehalten. Der Pakt vom Zusammenleben ersetzt nun den CAI. Sowohl Luxemburger, Nicht-Luxemburger als auch Grenzgänger, können dem Pakt beitreten.

Die beratende Kommission für interkulturelles Zusammenleben sollte für Menschen, die in der jeweiligen Gemeinde arbeiten, dort aber nicht leben, zugänglich gemacht werden. So könnten auch Grenzgänger die Gelegenheit bekommen, sich an der Gestaltung des Zusammenlebens in der Gemeinde zu beteiligen, in der sie tagsüber arbeiten. Allerdings hat seit Inkrafttreten des Gesetzes über das interkulturelle Zusammenleben nicht jede Gemeinde so schnell den Wandel vollzogen.

Grenzgänger in einigen Gemeinden von Kommissionen ausgeschlossen

Wer sich durch die diversen Internetseiten der Gemeinden durchklickt, wird entweder keine Informationen darüber finden, wie sich Bürger an der beratenden Gemeindekommission für Zusammenleben beteiligen können – oder unter den Bedingungen für eine Teilnahme feststellen, dass er als Nicht-Einwohner gar nicht Mitglied werden kann.

Tatsächlich ist die Vorgehensweise der Gemeinden wenig einheitlich – schlimmer noch: ein wahrer Flickenteppich. Der Grund dafür: Das Gesetz über das Zusammenleben, das den Zugang zu den Gemeindekommissionen für Nicht-Einwohner sichern sollte, ist erst am 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Nach den Gemeindewahlen im Juni 2023 hat ein Großteil der Gemeinden in den darauffolgenden Monaten im zweiten Halbjahr 2023 ihre Kommissionen bereits besetzt. Die Folge: Personen, die in einigen Gemeinde arbeiten, jedoch nicht leben, wurden nicht informiert oder erst gar nicht zugelassen, weil das Gesetz zu dem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war. Und das, obwohl jenes Gesetz eben geschrieben wurde, um Grenzgänger am Zusammenleben teilhaben zu lassen.

„Es trifft zu, dass die meisten Gemeindekommissionen vor Inkrafttreten des Gesetzes gebildet wurden. In diesen Fällen ist das alte Gesetz anwendbar“, bestätigt das Ministerium für Familie, Solidarität und Zusammenleben auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“.

Das Ministerium von Max Hahn (DP) habe jedoch am 30. August 2023 ein Rundschreiben an die Gemeinden verschickt, um sie auf die Änderungen aufmerksam zu machen und in der Gemeinde arbeitende Menschen bei der Zusammenstellung der Kommissionen zu berücksichtigen. In dem Rundschreiben betont der Minister zudem, mit Gewerkschaften und Berufskammern in Kontakt zu sein, um sie über die Öffnung der Kommission zu sensibilisieren.

Es trifft zu, dass die meisten Gemeindekommissionen vor Inkrafttreten des Gesetzes gebildet wurden.

Antwort des Ministeriums für Zusammenleben auf LW-Nachfrage

Das Rundschreiben beinhaltet jedoch nur eine Empfehlung. Denn tatsächlich sieht das Gesetz über das Zusammenleben vor, dass Gemeinden frei darüber entscheiden können, wer in der Kommission sitzt: „Les membres de la commission communale sont nommés par le conseil communal et doivent résider ou travailler sur le territoire de la commune“ – die Betonung liegt auf „ou travailler“. „Die Gemeinden sind also nicht verpflichtet, Personen, die in der Gemeinde arbeiten, aber nicht leben, zu informieren“, heißt es aus dem Familienministerium auf LW-Nachfrage.

Nach Hahn-Rundschreiben – Gemeinden starten neuen Aufruf

Bestimmte Gemeinden haben also, Grenzgängern und Personen, die in der Gemeinde arbeiten, den Weg in die Kommission verbaut. Das dürfen sie nämlich. Andere sind Ende des Jahres 2023 dem Rat des Rundschreibens gefolgt und haben einen aktualisierten Aufruf gestartet – wie zum Beispiel die Gemeinde Grevenmacher.

Der zuständige Minister für das interkulturelle Zusammenleben, Max Hahn (DP), hat ein Rundschreiben an die Gemeinden verschickt, mit der Empfehlung, auch Personen, die in einer Gemeinde arbeiten, aber nicht leben, Zugang zur kommunalen Kommission für Zusammenleben zu gewährleisten.  Foto: Christophe Olinger / LW-Archiv

Vor den Sommerferien 2023 habe man im Gemeindeblatt und auf sozialen Medien einen ersten Aufruf gestartet, „damals war für Kandidaten, eine der Bedingungen, dass diese in der Gemeinde wohnen müssen – und das war auch kein Irrtum“, betont die Gemeinde auf LW-Nachfrage. Nach dem Rundschreiben startete die Gemeinde dann am 27. Oktober einen erneuten Aufruf, der sich diesmal auch an Personen, die in der Gemeinde arbeiten, richtete. „In unseren aktuellen beratenden Kommissionen sind trotzdem keine Mitglieder aktiv, die nicht in der Gemeinde leben“, fügt die Gemeinde hinzu.

Wahl des Conseil supérieur du vivre ensemble wird wiederholt

Nicht alle Gemeinden sind dem Rundschreiben gefolgt. Je nachdem, wo zum Beispiel ein Grenzgänger arbeitet, wird er demnach nicht in die Kommission zugelassen. Das hat allerdings zur Folge, dass sich einige Grenzgänger an einer anderen wichtigen Wahl für das Zusammenleben nicht beteiligen können: die zum Conseil supérieur.

Das Organ ersetzt den ehemaligen Ausländerrat, der über die letzten Jahre in Ungnade gefallen war. Zu unklar war dessen Zielsetzung und aufgrund interner Angelegenheiten hatte der Ausländerrat zunehmend an Bedeutung verloren. Der Conseil supérieur* ist das Nachfolgegremium und das nationale Pendant zu den Gemeindekommissionen.

*Was Conseil supérieur und Commission communale unterscheidet

Die beratende Kommission für interkulturelles Zusammenleben ist auf Gemeindeebene aktiv. Sie kann aus Mitgliedern bestehen, die in der Gemeinde leben oder arbeiten. Ihre Aufgabe ist es, die Gemeinde bei der Entwicklung von Maßnahmen, die das Zusammenleben fördern, zu beraten als auch Informationsarbeit zu dem Thema zu leisten.

Der Conseil supérieur für interkulturelles Zusammenleben ist das nationale Äquivalent zur Gemeindekommission. Das Gremium gibt entweder aus Eigeninitiative oder auf Ersuchen des Ministers Stellungnahmen zu Themen des interkulturellen Zusammenlebens. Es kann zudem Umfragen, Analysen, Studien oder Berichte in Auftrag geben. Das Organ besteht teils aus Vertretern des Staates, Vereinigungen, Gemeindebund und aus sechzehn Mitgliedern, die von den Gemeindekommissionen stammen.

Sechzehn ordentliche und stellvertretende Mitglieder werden aus den kommunalen Kommissionen gewählt. Am 12. Juni hätte das Conseil supérieur gewählt werden sollen. Allerdings teilte das Ministerium am 11. Juni mit, dass die Wahl verschoben werden müsse, „suite à une erreur de procédure due à une candidature irrecevable“.

Mehr Details gab das Ministerium in dem Schreiben nicht. Auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“ erklärt aber ein Pressesprecher des Ministeriums, „es hatte sich eine Person zur Wahl gestellt, die nicht Mitglied einer Gemeindekommission für interkulturelles Zusammenleben ist“. Demnach wurde die Wahl annulliert. Das neue Datum ist auf den 10. Juli angesetzt. Wer sich bewerben möchte – und Mitglied einer Kommission für das Zusammenleben in einer Gemeinde ist – kann sich bis zum 4. Juli noch bewerben.

Hinter den Kulissen herrscht allerdings jetzt bereits Unmut. Denn der willkürliche Zugang zu den Gemeindekommissionen und demnach dem Conseil supérieur wirft die Frage auf, ob damit bestimmte Grenzgänger ungleich behandelt werden.