Wenn selbst Sozialämter Geflüchteten nicht mehr helfen können
Eine Unterkunft muss schließen, rund 40 Asylberechtigte verlieren damit ihren Wohnort – selbst die Sozialämter können nichts für sie tun. Warum das der Fall ist.
Nach der Schließung des Centre d‘accueil d‘Eich könnten rund 40 Menschen auf der Straße landen, wenn sich das Nationale Aufnahmeamt nicht um eine Umsiedlung bemüht.
Florian Javel, Luxemburger Wort 25.9.2024
Wer in Luxemburg einen internationalen Schutzstatus erhält, hat ein Anrecht auf soziale Hilfe – nur dafür müssten sie erstmal an die Sozialämter weitergeleitet werden. Das klappt allerdings nicht immer. Bei der Kommunikation zwischen dem Nationalen Aufnahmeamt (ONA) und den Sozialämtern hakt es nämlich immer wieder.
Eigentlich ist es so: Das Nationale Aufnahmeamt ist zuständig für Geflüchtete, die noch auf ihren Asylentscheid warten – sogenannte Asylbewerber. Sie bekommen einen Platz in einer Unterkunft und erhalten sowohl finanzielle Hilfen als auch Sachleistungen. Sobald dieser Antrag positiv gewertet wird, wird der Asylbewerber zum Asylberechtigten. Damit geht der Zugang zur sozialen Hilfe einher. Zuständig für die Betreuung der jeweiligen Person, die diese Hilfe in Anspruch nimmt, ist dann das Sozialamt der Gemeinde, in der der Asylbewerber lebt. Doch gerade bei diesem Übergang kommt es immer wieder zu Problemen – das zeigt ein rezentes Beispiel.
Centre d‘accueil d‘Eich schließt – Umsiedlung von rund 41 Menschen nicht geplant
Das Centre d‘accueil d‘Eich, eine Aufnahmestruktur für Geflüchtete, soll seine Türen schließen. Um den genauen Termin gab es zunächst Verwirrung. So meldete die Menschenrechtskommission am Montag in einer Pressemitteilung, die Schließung sei für November geplant. Bewohner der Struktur seien darüber benachrichtigt worden und hätten sich daraufhin an diverse Vereinigungen aus der Zivilgesellschaft gewendet.
Auf Nachfrage vom „Luxemburger Wort“, bestätigt die Menschenrechtskommission, dass die Bewohner zuerst über eine Schließung im Mai dieses Jahres Bescheid wussten – die Schließung sei jedoch auf November verschoben worden. Der Pachtvertrag zwischen ONA und einer Fondation sei ausgelaufen, heißt es „vom Hörensagen“. Die Fondation wolle die Räumlichkeiten wieder zurück.
Wer einen internationalen Schutzstatus erhält, hat ein Anrecht auf soziale Hilfe – allerdings müssen die Sozialämter erst davon wissen.
Wer einen internationalen Schutzstatus erhält, hat ein Anrecht auf soziale Hilfe – allerdings müssen die Sozialämter erst davon wissen. Foto: DPA
Allerdings: Auf Nachfrage heißt es jetzt vom zuständigen Familienministerium, der Termin sei auf Februar 2025 gelegt worden, um die kommenden Wintermonate zu berücksichtigen. Außerdem teilte es dem „Luxemburger Wort“ mit, das Gebäude habe eine Kapazität für 79 Betten, von denen rund die Hälfte von Asylsuchenden und die andere von Asylberechtigten belegt seien. Wie viele Geflüchtete in der Aufnahmestruktur nun konkret von der Umsiedlung betroffen sind – und den damit verbundenen Unklarheiten – ist indes unklar.
Die Menschenrechtskommission gibt an, dass 41 Asylberechtigte von einer Umsiedlung betroffen sein könnten. Menschen, die einen Asylstatus angefragt haben und jene, die erst kürzlich einen positiven Asylbescheid erhalten haben, seien nicht betroffen und würden in anderen Strukturen des ONA unterkommen. Die 41 Asylberechtigten, die länger einen positiven Asylbescheid erhalten haben, seien jedoch bisher nicht darüber informiert worden, wo sie zukünftig unterkommen könnten. Das Ministerium dagegen sbeteuert gegenüber dem „Wort“, die Bewohner seien „kurz nach“ der Sitzung vom 14. Februar, als die Schließung den Trägern mitgeteilt wurde, ebenfalls informiert worden.
Dass die Bewohner überhaupt Hilfe suchen, liegt daran, dass diese 41 Menschen ihr Bleiberecht in ONA-Strukturen „überstrapaziert“ haben. Wer eine Aufenthaltserlaubnis erhält und trotzdem weiter in einer ONA-Unterkunft verweilt, weil er auf dem privaten Markt keine Wohnung findet, unterzeichnet eine Art Abkommen mit dem Aufnahmeamt. Er vereinbart mit dem Aufnahmeamt eine „Miete“ und ein festes Datum, an dem er aus der Struktur ausziehen muss.
Durch das Abkommen wird den Asylberechtigten jedoch wenig Sicherheit geboten. Weil sie kaum eine Wohnung auf eigene Faust finden, müssen sie meist ihren Aufenthalt überziehen. Das führt dazu, dass das ONA mit juristischen Prozeduren den Auszug brüskieren muss. Die Anzahl dieser Prozeduren hätte über die vergangenen Jahre nur zugenommen, kritisiert die Menschenrechtskommission.
Lesen Sie auch:Was aus der Warteliste für Dublin-Flüchtlinge geworden ist
Die Schließung des Centre d‘accueil d‘Eich wird also zumindest für die 41 betroffenen Personen dazu führen, dass sie spätestens im Frühjahr ohne Unterkunft da stehen. Denn: Wird eine Struktur geschlossen, werden Asylberechtigte, die die Frist ihres Abkommens mit dem ONA überschritten haben, nicht neu übersiedelt in eine andere ONA-Struktur – so zumindest die aktuelle Praxis. Wie es mit ihnen weitergehen soll, darüber habe es bereits Gespräche mit dem Sozialamt der Stadt Luxemburg gegeben.
Kommunikationsprobleme zwischen ONA und Sozialämtern
Dass Aufnahmestrukturen schließen müssen, ist nicht ungewöhnlich. Doch jedes Mal sorgt es beim Sozialamt für Kopfzerbrechen. „Die Menschen werden oft nur zu uns geschickt, wenn die Lage brenzlig wird und eine Struktur schließt“, erklären Sandy Lopes, Chargée de direction des Sozialamts von Luxemburg-Stadt und deren Sozialkoordinatorin, Sofia André, auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“. Beim Sozialamt der Stadt Luxemburg weiß man bereits von der Schließung des Centre d‘accueil d‘Eich, es habe Versammlungen mit dem ONA gegeben. „Wir können aber nicht zaubern. Wir haben einfach keine Wohnungen, um diese Menschen umzusiedeln“, schildert André das Problem.
Insbesondere in Luxemburg-Stadt wird das Sozialamt immer wieder mit brenzligen Situationen konfrontiert. Das liegt daran, dass die Aufnahmestrukturen zum größten Teil in der Hauptstadt konzentriert sind. „Es kann aber nicht sein, dass eine Gemeinde alles tragen muss, nur weil andere Gemeinden keine Aufnahmezentren für Geflüchtete bei sich haben wollen“, kritisiert André.
Wir können aber nicht zaubern. Wir haben einfach keine Wohnungen, um diese Menschen umzusiedeln.
Das Einzige, was das Sozialamt für die Asylberechtigten machen könne, sei, zu überprüfen, wer von ihnen bereits auf einer Warteliste für eine Sozialwohnung eingeschrieben ist – und wer nicht. „Wir können Menschen auf dem Privatmarkt helfen, indem wir ihnen das Geld für die Kaution zur Verfügung stellen, wenn es sein muss, die erste Miete oder noch Geld für Möbel – Wohnungen haben wir aber keine“, so André weiter.
Hinzu kommen die immer wiederkehrenden Kommunikationsprobleme zwischen ONA und Sozialamt. „Es passiert öfter, dass Asylberechtigte zwei, drei oder sogar fünf Jahre in den ONA-Strukturen leben, bevor diese Personen zum Sozialamt weitergeleitet werden“, erklärt Sandy Lopes. Der Übergang vom Asylbewerber zum Asylberechtigten sei nicht immer geregelt. Auch das bemängelt die Menschenrechtskommission in ihrem Presseschreiben und spricht gar von einem „flou juridique“.
Sandy Lopes ist Chargée de Direction des Sozialamts der Stadt Luxemburg.
Sandy Lopes ist Chargée de Direction des Sozialamts der Stadt Luxemburg. Foto: Sibila Lind / LW-Archiv
Es fehlt an Personal in den Sozialämtern
Viel früher sollten Asylbewerber darüber informiert werden, wie sie Zugang zur sozialen Hilfe erhalten können, sobald sie ihren Asylstatus erhalten haben, findet Lopes. „Vor allem Geflüchtete brauchen eine engere Begleitung. Wir müssen ihnen alles erklären, weil sie aus anderen Ländern mit völlig anderen Systemen kommen. Tut man das nicht, wissen sie als Asylberechtigte nicht, was sie tun sollen.“
Lesen Sie auch:Warum die Regierung den Kampf gegen die Armut verlieren könnte
Hinzu käme, dass es in den Sozialämtern weiterhin an Personal fehle. Das Budget dafür sei den Sozialämtern zugesichert worden – allerdings hakt es bei der Rekrutierung: Es lassen sich keine Sozialarbeiter finden, meinen die beiden. Und das, obwohl Geflüchtete intensiv betreut werden müssten.
Für die Einwohner des Centre d‘accueil d‘Eich gibt es aktuell noch keine Lösung. Es würden weitere Meetings mit dem ONA folgen, sagen die beiden Frauen. Wohnungen hätte man für diese Menschen trotzdem nicht